MOSKAU—Angriffe gegen Russen in der Ukraine werden im Kreml zugleich
immer auch als eine Attacke gegen Russland wahrgenommen. Mit dieser
Aussage reagierte der russische Außenminister Sergej Lawrow am Mittwoch
auf Äußerungen in der Ukraine, militärisch gegen pro-russische Kräfte
vorgehen zu wollen, die im Osten des Landes die Hoheit in mehreren
Städten übernommen haben.
Lawrow zog Parallelen zu den Spannungen, die im Jahr 2008 zu einem
militärischen Konflikt Russlands mit Georgien führten, indem er sagte,
sein Land werde antworten, sollten die Interessen von russischen
Staatsbürgern in ähnlicher Weise beeinträchtigt werden wie seinerzeit in
Südossetien.
Vor sechs Jahren fochten Russland und Georgien einen zehntägigen
militärischen Konflikt um die abtrünnige Kaukasusregion aus, die
Georgien für sich beansprucht. Nur Russland und drei andere Länder haben
bislang die unabhängige Republik Südossetien anerkannt.
„Wenn unsere Interessen, unsere legitimen Interessen, die Interessen
von Russen direkt angegriffen würden, so wie das in Südossetien zum
Beispiel geschehen ist, dann sähe ich keinen anderen Weg als in
Übereinstimmung mit internationalem Recht zu handeln", sagte Lawrow laut
einem transkribierten, in englischer Sprache geführten Interview, das
am Mittwoch vom Fernsehsender Russia Today ausgestrahlt wurde. Lawrow
bezog sich dabei auf die Krise in der Ukraine, machte aber keine Angaben
dazu, worin die Antwort bestehen könnte.
„Wenn russische Staatsbürgern attackiert werden, dann handelt es sich
dabei auch um einen Angriff gegen die Russische Föderation", sagte er.
Lawrows Stellungnahme folgt einer Entscheidung der USA vom Dienstag
eigene Truppen zu Manövern nach Osteuropa zu entsenden und einer
Erklärung von US-Vizepräsident Joe Biden,
der in Kiew vor weiteren Sanktionen gegen Russland gewarnt hatte,
sollte die Großmacht ihre Truppen nicht von der ukrainischen Grenze
zurückziehen und die Vereinbarungen einer Krisenkonferenz in Genf
folgen, die einen Rückzug russischer Truppen von Regierungsgebäuden
vorsieht.
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In Kiew verlangte Übergangspräsident
Alexander Turtschinow eine Wiederaufnahme der Militäroperationen gegen
die prorussischen Separatisten, die in der Ostukraine eine Reihe von
Städten übernommen haben.
Lawrow beschuldigte Washington, die Unruhen in der Ukraine zu
orchestrieren. "Es gibt keinen Zweifel, dass die Amerikaner die Show am
Laufen halten", sagte Lawrow. Er fügte hinzu, dass die russischen
Truppen nicht die Grenze der Ukraine überschritten hätten.
Nach Angaben aus der Ukraine werden die Milizionäre, die
Regierungsgebäude besetzt halten, von russischen Agenten angeführt. Das
Ziel Moskaus sei es, nach der Annexion der Krim eine weitere Scheibe des
ukrainischen Territoriums herauszuschneiden.
Präsident Wladimir Putin hatte wiederholt erklärt, dass keine
russischen Truppen an der Annexion der Krim beteiligt gewesen seien.
Doch in einer landesweit übertragenen TV-Sendung in der vergangenen
Woche, bei der Bürger Fragen stellen konnten, hatte er dann erstmals
eingeräumt, dass russische Truppen hinter der Annexion gestanden hatten.
Berichtigung
Russland hat 2008 einen militärischen Konflikt mit Georgien geführt und
nicht, wie in einer früheren Version dieses Artikels behauptet, mit der
Ukraine.
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