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So funktioniert der erste Inkubator für Cannabis-Startups
Reportage. In Oakland entsteht der erste Inkubator für Cannabis-Startups in Kalifornien. Ab März werden dort 20 Firmen pro Jahr mit Know-How und Investments gefördert.Carter Laren steht umringt von jungen Männern in einem Raum, der wie ein Wohnzimmer aussieht. Auf einem Glastisch neben dem Sofa liegen Schokoladentäfelchen mit Cannabis-Aufdruck und ein Exemplar des „Cannabis Manifesto“ von Branchenpionier Steve De’Angelo. „Ihr solltet euch auf jeden Fall bewerben“, sagt Laren zu zwei der Männer. Sie haben ein Startup gegründet, das ein wasserlösliches Marihuana-Konzentrat herstellt. Die beiden löchern Laren mit Fragen, Visitenkarten werden ausgetauscht.
Laren ist einer der drei Gründer des neuen Inkubators „Gateway“. Sie haben zum Open House geladen, und der oberste Stock des auffälligen Leviathan-Gebäudes in Oakland bei San Francisco ist gefüllt mit neugierigen Menschen. Gateway ist ein Förderprogramm ausschließlich für Marihuana-Startups, das erste in Kalifornien. Zweimal pro Jahr lernen hier jeweils zehn Startups, wie man ein Cannabis-Unternehmen aufzieht. Die Gründer bekommen Mentoring, Büroräume für fünf Monate sowie ein Investment von 30.000 Dollar, im Gegenzug geben sie eine Beteiligung von sechs Prozent an ihrem Unternehmen ab. Das Geld stammt von MJIC, einer auf Marihuana-Firmen spezialisierten Investment-Holding.
„Es gibt im ganzen Land eine veränderte Wahrnehmung von Cannabis“, sagt Carter Laren, der wie Mitbegründer Ben Larsen vom Startup-Accelerator Founder Institute kommt. Nun springen sie auf den Hype ums legale Geschäft mit Cannabis in den USA auf. 23 US-Staaten haben den Konsum von Marihuana inzwischen legalisiert, unter anderem in Colorado, Washington und Oregon auch für den Freizeitgebrauch. Spätestens, seit sich Star-Investor Peter Thiel mit mehreren Millionen in Privateer Holdings eingekauft hat, einen auf die Cannabisindustrie spezialisierten Finanzinvestor, herrscht Goldgräberstimmung: Immer neue Cannabis-Startups spießen wie [lexicon]Pilze[/lexicon] aus dem Boden, die die Branche mit Software und High-Tech revolutionieren. Experten taxieren den US-Markt für legales Cannabis bis 2020 auf 15 Milliarden Dollar.
„Die Resonanz ist überwältigend positiv“, sagt Laren, nachdem die Nachricht vom Inkubator-Start in der Welt war, seien direkt 30 Bewerbungen eingegangen. Die ersten Startups sollen im März beginnen, die Bewerbungsfrist läuft voraussichtlich bis Ende Januar. Offiziell ausgewählt ist noch kein Unternehmen. Bewerben können sich sowohl offline- als auch digitale Early-Stage-Firmen, egal ob Startups mit App-Lösungen zur Distribution oder Hardware-Produkten wie Vaporisieren. Auch Firmen, die direkt mit der Pflanze zu tun haben, sind willkommen – zum Beispiel Startups, die auf neue Verfahren zur Extraktion des Wirkstoffs [lexicon]THC[/lexicon] setzen.
Rechtlich spielen sie in einer anderen Liga: Sie dürfen ihr Geschäft nur innerhalb des Bundesstaats mit ihrem Firmensitz betreiben. „Der kalifornische Markt ist so riesig, dass man solche Firmen trotzdem skalieren kann“, sagt Carter Laren. Dennoch ist das Geschäft mit legalem Cannabis nicht gerade einfach. „Die Sicherung von Rohmaterial und die Herstellung von Produkten ist schwierig. Denn Wissen wird in der Branche nicht geteilt, eine Folge der jahrelangen Prohibition“, sagt John R. Downs, Managing Director von MJIC und dritter Gateway-Mitbegründer. Hinzu kommt das Stigma von Cannabis als Einstiegsdroge. Der Inkubator soll „als sicherer Ort zum Wissensaustausch“ dienen, erklärt Downs, und Investoren, die noch nie etwas mit Marihuana-Firmen zu tun hatten, die Möglichkeit geben, sich zu informieren. Sie werden am Ende des Programms zum Demo-Day eingeladen, bei dem die Startups ihre Geschäftsideen präsentieren.
Holly Alberti-Evans hat das alles schon hinter sich. Sie steht im obersten Stockwerk des Leviathan-Gebäudes und erklärt den Besuchern, wie „Healthy Headie“ funktioniert: Das Unternehmen aus Massachusetts organisiert eine Art Tupperware-Partys für Cannabis-Produkte, zum Aufklären und Ausprobieren. Healthy Headie hat im Frühjahr an CanopyBoulder teilgenommen, dem US-weit ersten Accelerator für Cannabis-Startups in Colorado, und sammelt nun 500.000 Dollar mit einer Wandelanleihe ein. Im März wird die Gründerin als Mentorin zum Gateway-Programm stoßen. Sie kennt die Herausforderungen der Branche: Probleme beim Funding oder der Nutzung von Bank-Dienstleistungen, aber auch beim Advertising und Marketing. „Es wäre illegal, unsere Dienste auf Social Media-Kanälen zu posten, und wir können auch keine Anzeigen auf Google laufen lassen“, sagt Alberti-Evans.
Auch David Hua wird Gateway als Mentor unterstützen. Seine Liefer-App Meadow ist aus dem Y-Combinator-Programm hervorgegangen und hat bisher Investments in Höhe von 240.000 Dollar erhalten. Meadow ist eine Art Uber für medizinisches Cannabis und funktioniert als Schnittstelle zwischen lokalen Marihuana-Apotheken und Patienten in der San Francisco Bay Area. Die bekommen über die App in weniger als einer Stunde Cannabis-Sorten wie „Blue Dream“ oder „Phantom Cookies“ an die Haustür geliefert. Personalausweis und ärztliches Empfehlungsschreiben können die Kunden online hochladen, wer noch keine “Medical-Marihuana-Karte” hat, kann über die App einen Termin für eine Video-Konferenz mit einem Arzt vereinbaren.
Die Idee zu Meadow kam Hua, der zuvor einen Food-Blog betrieb, während eines Kurses an der nahegelegenen Marihuana-Universität „Oaksterdam“. Es ist die einzige ihrer Art in den USA, die Studenten lernen dort alles über Kultivierung, Geschichte, Heilwirkung oder Zubereitungsmethoden der Pflanze. „Oakland ist bereit, die Hauptstadt der Cannabis-Branche zu werden“, sagt Carter Laren. Die Nachbarstadt des einstigen Hippie-Mekkas San Francisco gilt als besonders kifferfreundlich, und Kalifornien war der erste Staat in den USA, der den Cannabis-Konsum zum medizinischen Gebrauch legalisierte.
Robert Zaremba nimmt einen Zug aus einem mit Hasch-Öl gefüllten Stift-Vaporizer. Würziger Rauch wabert über den Tisch, auf dem er mit [lexicon]THC[/lexicon] angereicherte Kaffeekapseln, Schokolade, Cremes und Öle aufgebaut hat. Zaremba ist Chef des Marihuana-Großhandels „The Healing Cabinet“. „In Deutschland wäre das alles illegal, oder?“, fragt ihn ein junger Mann aus Deutschland, der überlegt, in Kalifornien ein Startup zur Cannabis-Distribution zu gründen. „Stimmt“, antwortet Zaremba, der Gateway-Startups künftig als Mentor helfen wird, ihre Produkte unters Volk zu bringen – nur in bestimmten Staaten in den USA, versteht sich.
Der Markt könnte allerdings bald kräftig wachsen: Im Zuge der Präsidentschaftswahl im kommenden Herbst stehen mehrere Volksabstimmungen zur Legalisierung von Marihuana als Freizeitdroge an, unter anderem in Kalifornien. Gateway-Gründer Carter Laren geht fest davon aus, dass die Abstimmung in Kalifornien pro Legalisierung ausgehen wird. Selbst wenn nicht, wäre das aus geschäftlicher Sicht okay, sagt er, „aber bestimmt nicht aus moralischer Sicht“.
Quelle:
Gruenderszene