Cannabisstudie droht auszufallen
Nach der Cannabis-Freigabe für Schwerkranke wollte eine Studie prüfen, wie gefährlich der Konsum für gesunde Erwachsene ist. Dafür sollten tausende Berliner legal kiffen dürfen. Doch nun distanziert sich der Forschungsleiter von dem Antrag.
Aus der in Berlin geplanten Studie über Cannabiskonsum mit 25.000 Probanden wird vorerst wohl nichts. Der Hamburger Forschungsleiter Thomas Schnell distanziert sich von dem Vorhaben und der dahinterstehenden "Forschungsinitiative Cannabiskonsum".
Das erklärt der Professor für Klinische Psychologie in einer dem rbb
vorliegenden Pressemitteilung seines Arbeitgebers, der Medical School
Hamburg (MSH). Auch die MSH distanziert sich ausdrücklich von der
Studie, bei der Schnell "in einem ersten Schritt" als wissenschaftlicher
Begleiter involviert gewesen sei. Die staatlich anerkannte Hochschule
lehne "jeglichen Gebrauch von Drogen aller Art und alle
Legalisierungsbestrebungen strikt ab".
Forschungsinitiative "FI-CK GmbH"
Die Forschungsinitiative, die wohl nicht zufällig unter dem Kürzel "FI-CK GmbH" firmiert, hatte erst kürzlich zum zweiten Mal beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen Antrag gestellt, um eine Langzeitstudie zum Cannabiskonsum durchführen zu können.
Schnell war dabei nicht Antragsteller sondern lediglich wissenschaftlicher Begleiter, wie sowohl das Bundesinstitut als auch die Medical School am Freitag auf Nachfrage von rbb|24 betonten.
Was Schnells Distanzierung für den Antrag bedeutet, ist vorerst unklar. Das Bundesinstitut äußert sich zu laufenden Verfahren nicht. Ein Sprecher bestätigte dem rbb aber, dass es einen Einspruch gegen die erste Ablehnung gibt, der derzeit geprüft werde.
Fragwürdiger Antrag
Ziel der breit angelegten Studie sollte es sein, die Folgen des Kiffens bei ausdrücklich psychisch gesunden Erwachsenen zu erproben. Von Februar an suchte die Initiative dann Bewerber für eine Teilnahme als Proband – noch bevor überhaupt die Genehmigung für die Studie vorlag. Mindestens 2.000 Menschen hatten sich daraufhin bereits gemeldet.
Ob hinter der Studie wirklich ein wissenschaftliches Vorhaben steckt, wird bezweifelt. Zum einen stecht hinter der Forschungsinitiative der Rechtsanwalt Marko Dörre, der bislang als "Pornoanwalt" bekannt wurde und vorrangig in der Erotikbranche und im Jugendschutz tätig war. Zum anderen sei sowohl die hohe Zahl der Probanden als auch die große Menge an Cannabis zumindest untypisch, wie Bernd Werse, Leiter des Center for Drug Research an der Uni Frankfurt, dem Jugend- und Lifestyle-Portal "Noizz" sagte.
Monatliche Abgabe bis zu 30 Gramm Cannabisblüten
Die Teilnehmer, denen eine monatliche Abgabe von bis zu 30 Gramm Cannabisblüten ermöglicht werden sollte, hätten für die Hanfblüten aus Apotheken selbst bezahlen müssen. Weitere Angaben, etwa zur Finanzierung des umfassenden Projekts, fehlten zunächst. Ein erster Antrag war vom BfArM abgelehnt worden.
"In Deutschland berauschen sich mehrere Millionen Menschen regelmäßig mit Cannabis", erklärte Dörre, der Kopf hinter der geplanten Studie. Die Wissenschaft müsse sich deshalb intensiver mit dem Freizeitkonsum und dessen Auswirkungen beschäftigen. Die Studie sollte explizit nicht medizinischen Zwecken dienen.
"Wirkungsforschung und Legalisierungstendenzen nicht klar getrennt"
Thomas Schnell erklärte nun, er sei inzwischen zur Einsicht gelangt, dass im Zusammenhang mit der geplanten Studie "Wirkungsforschung und Legalisierungstendenzen nicht hinreichend klar voneinander getrennt werden können". Grundidee sei es gewesen, mehr über die langfristige Wirkung der bislang von der Forschung vernachlässigten Rauschdroge zu erfahren. Weiter teilte er mit, dass die "im Forschungsdesign enthaltenen Risiken" den möglichen wissenschaftlichen Nutzen überwiegen würden. "Ich distanziere mich deshalb von der geplanten Studie und der dahinterstehenden Forschungsinitiative Cannabiskonsum."
Die geplante Studie verliert mit Schnell ihren wissenschaftlichen Hintergrund. Es ist deshalb wahrscheinlich, dass das Bundesinistitut bei seiner ersten ablehnenden Entscheidung bleibt.
Gesetzesänderung ermutigte Geschäftsleute
Seit dem Start eines vom Bundestag am 19. Januar dieses Jahres beschlossenen Gesetzes, das Cannabis in Deutschland zumindest für schwer kranke Patienten in der Apotheke per Rezept verfügbar machen soll, wittern Geschäftsleute hierzulande den Durchbruch. Seit März dieses Jahres können Ärzte Cannabis-Präparate verschreiben – wenn andere therapeutische Möglichkeiten ausgeschöpft sind oder der behandelnde Arzt das im Einzelfall so entscheidet. Zuvor brauchte man dafür eine Sondergenehmigung, die das BfArM nur etwa 1.000 Mal vergab.
Quelle: Forscher distanziert sich von Antrag - Cannabisstudie droht auszufallen | rbb Rundfunk Berlin-Brandenburg
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