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SPD will Cannabis-Freigabe beschleunigenMarihuana nach dem niederländischen Vorbild legalisieren oder weiterhin verbieten?
In Altona werden die Bezirkspolitiker am Montag einem Schritt in Richtung Modellversuch voraussichtlich zustimmen.Die punktuelle Legalisierung von Marihuana in Hamburg rückt näher. Auf ihrem Kreisparteitag am heutigen Montagabend werden die Altonaer Genossen voraussichtlich einen Antrag der SPD Altona-Nord/Sternschanze annehmen, der das Verfahren beschleunigen soll. Der Vorsitzende des betreffenden SPD-Distrikts, Gregor Werner, plädiert offen für einen entsprechenden Modellversuch in der Sternschanze.
Ziel ist zunächst, bis Frühjahr 2016 eine Expertenanhörung im zuständigen Gesundheitsausschuss der Bürgerschaft zu "einem Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis" durchzuführen. Weiter heißt es in dem Antrag: "Dabei sollen neben Expertinnen und Experten aus Hamburg und dem Bundesgebiet auch Expertinnen und Experten aus den Quartieren in Hamburg, in denen Konsum und Handel mit Cannabis besonders ausgeprägt sind, einbezogen werden."TTIP hat Vorrang
Zwar muss auch der SPD-Landesparteitag zustimmen, doch zumindest im Kreis Altona scheint man sich weitgehend einig zu sein: Die Sozialdemokraten werden sich bei ihrem heutigen Treffen zunächst sehr ausführlich mit einem ganz anderen Thema, nämlich den derzeit viel diskutierten internationalen Freihandelsabkommen, befassen. Der Cannabis-Antrag ist nur einer von mehreren, die dann am späteren Abend voraussichtlich schnell durchgewinkt werden.SPD-Mann Gregor Werner macht deutlich, worauf das Ansinnen letztlich zielt: "Einen Modellversuch zur kontrollierten Abgabe von Cannabis kann ich mir persönlich sehr gut vorstellen – insbesondere in urban verdichteten Stadträumen wie der Sternschanze und vor dem Hintergrund des illegalen Handels und nicht kontrollierten Konsums." Zur Lösung der "Gesamtproblematik" müssten neue Wege erforscht werden, um zu einer "dauerhaften Lösung" zu gelangen, so Werner.
Im Koalitionsvertrag hatten SPD und Grüne eine "ergebnisoffene Beratung" darüber vereinbart, ob ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene in Hamburg durchgeführt werden kann. Bislang kamen die deutlichsten Rufe nach einem solchen Legalisierungsversuch aus den Reihen des kleinen Koalitionspartners sowie von den Linken. Die Altonaer Genossen schlagen mit dem Antrag nun auch innerhalb der SPD einen klaren Weg ein. Sie schreiben: "In Deutschland wird die kontrollierte Abgabe von Cannabis zunehmend befürwortet. In den Quartieren wie der Sternschanze werden wir täglich von den Bürgerinnen und Bürgern auf die Problemlagen, die mit dem Handel von Cannabis einhergehen, angesprochen. Häufig wird dabei der Wunsch geäußert, den Handel geeignet zu regulieren."
Coffeeshop nach niederländischem Vorbild
In der Medizin werde der Konsum von Cannabis für kranke Menschen immer wichtiger, die Gesellschaft akzeptiere es immer mehr. "Wir wollen eine Entkriminalisierung vom Verkauf und Erwerb von Cannabis für medizinische Zwecke. Dieser muss fachlich begleitet werden. Wichtig ist vor allem, dass der Erwerb erst ab 18 Jahren erfolgen kann."
Der Stadtteilbeirat Sternschanze fordert bereits die Freigabe der Droge für den, wie sie sagen, "größten Umschlagsplatz Norddeutschlands". Die im Beirat beteiligten Anwohner können sich einen Coffeeshop nach niederländischem Vorbild vorstellen; dort wird Marihuana bekanntlich straffrei verkauft und konsumiert. Das Ziel ist, dadurch die Drogenhändler zu vertreiben. Nach Einschätzung der Polizei halten sich täglich jeweils rund 20 von ihnen sowohl im Flora- als auch im Schanzenpark auf. Im Juli wollen Anwohner, Politiker, Polizei und Bezirksamtsvertreter zum zweiten Mal am Runden Tisch zusammenkommen, um über die Lage zu beraten. Im Gespräch ist auch eine Aufwertung des Floraparks, etwa durch eine Belebung des dortigen Bunkers, um mehr Menschen anzulocken und so die Dealer fernzuhalten.
Eigentlich ist der Konsum von Marihuana in Deutschland verboten, doch bei Kleinstmengen unter sechs Gramm stellt die Hamburger Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren meist ein. Eine entsprechende Anzeige der Polizei läuft dann regelmäßig ins Leere. Deshalb fordern Polizeigewerkschaften und Justiz, den Konsum kleinster Mengen nicht als Straftat, sondern als Ordnungswidrigkeit einzustufen. Dann läge es im Ermessen des Polizisten, ob er eine Anzeige stellt.
Quelle:
Die Welt