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Krankenkasse will nicht zahlen: Cannabis-Tropfen helfen MS-PatientinDetmold. Krampfattacken, schlaflose Nächte voller Schmerzen am ganzen Körper gehören zum Alltag von Heike Mallmann – seit 1996 leidet sie an Multiple Sklerose. Heute ist sie Rentnerin, zu 70 Prozent Schwerbehindert und auf Rollstuhl und Rollator angewiesen. Erschwerend kommt hinzu, dass sie sich mit der AOK wegen der Kostenübernahme von Cannabis-Tropfen „Dronabinol“ zur Behandlung ihrer Spastik streitet. Die AOK zahlt nicht, da die Tropfen in Deutschland nicht zugelassen seien, doch andere Kassen übernehmen die Kosten, die Hürden sind jedoch sehr hoch.
„Nach Einnahme der Tropfen waren meine Rückenschmerzen weg“, sagt die 48-Jährige. Doch die Kosten für ein 10ml-Fläschchen, das fünf Wochen reiche, in Höhe von 235 Euro wolle die Kasse nicht übernehmen. Sie habe zuvor viele Medikamente ausprobiert, darunter das zugelassene Cannabis-Spray „Savitex“ – drei Fläschchen a 10ml für 314,42 Euro. „Bei einer Empfehlung von täglich zwölf Sprühstößen reicht die Menge vier Wochen“, so die zweifache Mutter, die das Spray aufgrund der Nebenwirkungen absetzen musste.
Daraufhin habe ihre Ärztin Gundula Krause „Dronabinol“, das in der Apotheke hergestellt wird, empfohlen. „Nach guten Erfahrungen bei einer Patientin, haben die Tropfen auch bei Heike Mallmann geholfen“, freut sich Krause. Daher könne sie aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehen, warum die AOK eine Kostenübernahme verweigere. „Mein Widerspruch wurde mit der Begründung abgelehnt, dass ich nicht innerhalb eines kürzeren Zeitraumes daran versterben werde und deshalb die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nicht erfülle“, so Mallmann.
Immer wieder verweise die Kasse auf das Spray „Sativex“. „Ich verstehe das nicht, die Tropfen ermöglichen mir einen teils schmerzfreien Alltag, kosten weniger als das Spray und die Kasse zahlt nicht“, sagt die zweifache Mutter. Anschließend bekomme sie Massagen gegen ihre Schmerzen verschrieben. Es sei absurd, dass die Tropfen, die günstiger seien als das Spray und die Massagen überflüssig machen würden, nicht bezahlt würden.
„Wir würden Frau Mallmann gerne helfen, doch die Tropfen sind in Deutschland nicht zugelassen, daher kann auch keine Kostenübernahme erfolgen“, sagt Jürgen Wilting, Niederlassungsleiter der AOK-Nordwest in Detmold. Das Spray sei zugelassen und daher seien die Kosten erstattet worden. „Wir müssen uns an die Gesetze halten“, so Wilting.Dem widerspricht Medizinerin Gundula Krause: „Andere Kassen übernehmen die Kosten für die Tropfen – es ist eine Goodwill-Entscheidung.“ Dazu gehöre auch die Barmer GEK, die eine Zahlung in Einzelfällen, nach entsprechender Prüfung, übernehme. Wir fragen nach bei der Barmer GEK. Sprecherin Birte Schwarz räumt ein, dass in Einzelfällen die Kosten übernommen würden, doch die Hürden seien hoch. Wenn ein Arzt eine Therapie mit „Dronabinol“ als notwendig einschätze, so sei die Kostenübernahme vorab mit der Krankenkasse zu klären. „Ein entsprechend Antrag wird mit Hilfe des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen geprüft“, so Schwarz.
Der Ratschlag von Regina Behrendt, Referentin Gesundheitsmarkt bei der NRW-Verbraucherzentrale, lautet: „Kasse wechseln.“ Bedenken, dass die 48-Jährige wegen ihrer Erkrankungen ablehnt werde könne, seien grundlos. Die gesetzlichen Krankenkassen seien zur Aufnahme verpflichtet. „Ich prüfe derzeit den Gang vors Sozialgerichts und werde dann vielleicht wechseln“, sagt die 48-Jährige und greift nach der Hand ihres Mannes Andreas.
Auf die Frage, welchen Wunsch sie sich erfülle würde, wenn es ihr wieder besser geht, antwortet sie mit geschlossenen Augen: „Mit meinem Mann tanzen – das wäre mein Traum.“ Und wenn sie die Tropfen nehme und der Körper nicht mehr so schmerze, sei sie ihren Traum ganz nah.
Quelle:
LZ.de