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Teenager: Forscher bezweifeln, dass Kiffen den IQ schrumpftMacht Cannabis Teenager dumm? Über diese Frage streiten sich Forscher seit Jahren. Eine aktuelle Studie mit Zwillingen hält dagegen. Demnach leidet die Intelligenz unter etwas anderem - das wohl auch zum Kiffen verführt.
Bei Teenagern steckt das Gehirn noch in seiner Findungsphase. Wer in dieser empfindlichen Zeit schon kifft, setzt seine Intelligenz aufs Spiel - glauben viele. Eine neue Analyse nährt jetzt Zweifel an der These. Das Rauchen von Cannabis sei nur ein Symptom des Faktors, der auch die Intelligenz schwinden lasse, glauben Forscher von der Loyola Maymouth University in Los Angeles. Mit dem Kiffen direkt aber habe der Intelligenzverlust nichts zu tun.
Vergleichen lässt sich die These etwa mit dem Verzehr von einem Liter Eis, der dazu führt, dass jemand Bauchschmerzen hat - und dazu, dass er sein T-Shirt bekleckert. Die Flecken sind in diesem Fall nicht die Ursache des Bauchschmerzes - und die Bauchschmerzen verursachen auch keine Flecken. Beide haben aber denselben, gemeinsamen Ursprung und treten deshalb gemeinsam auf.
Andere Studien hatten zuvor einen Zusammenhang zwischen IQ und einem hohen Cannabiskonsum in der Jugend hergestellt. Wie alle Untersuchungen zu dem Thema hatten diese jedoch eine grundlegende Schwäche: Die Wissenschaftler mussten ihre Analysen auf Beobachtungen im echten Leben stützen. Gerade auf die Intelligenz aber wirken viele Faktoren ein, vom Umfeld bis hin zu den Genen. Wie lässt sich da sicher trennen zwischen den Auswirkungen des Kiffens und denen der Umwelt? Eigentlich gar nicht.
Studie mit Zwillingen: Einer kifft, einer nicht
Um das Risiko dieser Verzerrung möglichst klein zu halten, konzentrierten sich die Forscher der aktuelle Analyse auf zwei Zwillingsstudien mit insgesamt etwas mehr als 3000 Teilnehmern. Alle hatten im Alter von neun bis zwölf ein erstes Mal eine Reihe an Intelligenztests absolviert. Zu diesem Zeitpunkt hatte noch keiner von ihnen Marihuana geraucht. Im Alter von 17 bis 20 wurden die Tests noch einmal wiederholt.Mithilfe der Daten analysierten die Forscher, bei welchen Teilnehmern sich die Leistungen über die Zeit verschlechtert hatten - und ob es einen Zusammenhang mit ihrem Cannabiskonsum gab. Tatsächlich fanden die Forscher bei den meisten Tests keine Unterschiede zwischen Kiffern und Abstinenzlern. Nur bei Übungen zum Vokabular und Allgemeinwissen schnitten die Kiffer schlechter ab. Auch zwischen Wenigkiffern und Vielkiffern - also Menschen, die mehr als sechs Monate lang jeden Tag gekifft hatten -, fanden sie nur minimale Unterschiede.
In einem weiteren Schritt konzentrierten sich die Forscher ausschließlich auf die Zwillingspärchen, bei denen einer kiffte und einer nicht. Sie haben den großen Vorteil, im selben Umfeld aufgewachsen zu sein. 137 der 290 in diesem Schritt untersuchten Zwillingspärchen waren sogar eineiig. Bei diesen Paarungen ähnelten die Ergebnisse der Kiffer ebenfalls denen ihrer abstinenten Geschwister.
Macht die Dosis den Unterschied?
Ein Teenager mit einem hohen Risiko zu kiffen, erlebe einen IQ-Rückgang wahrscheinlich unabhängig davon, ob er tatsächlich mit dem Konsum anfange, folgert Joshua Isen, Psychologe an der Loyola Maymouth University in Los Angeles aus den Ergebnissen. Es sei jedoch noch unklar, was die beiden Faktoren miteinander verbinde. Außerdem müsse auch beachtet werden, dass die Arbeit nichts über andere schädliche Folgen des Kiffens im Teenageralter aussage.Angeschoben wurde die Diskussionen um die Gefahr des Kiffens im Jahr 2012. Damals hatte eine viel beachtete Studie ergeben, dass jahrelanges Kiffen bei unter 18-Jährigen langfristig den IQ senken kann. Nach der Ansicht der Autorin dieser Studie, Terrie Moffitt von der Duke University, widersprechen sich diese Ergebnisse nicht mit den aktuellen. Die Teilnehmer ihrer Studie hätten deutlich mehr Marihuana konsumiert als die in der aktuellen Untersuchung, erklärte sie.
Es gibt jedoch auch andere Forscher, die an der Intelligenz-These von Moffitt zweifeln. Nicht das Kiffen, sondern der sozioökonomische Status der jugendlichen Konsumenten sei in der Untersuchung für den beobachteten negativen Effekt verantwortlich, kritisierte etwa Ole Rogeberg vom Ragnar Frisch Centre for Economic Research in Oslo. Die aktuelle Studie ist ein weiteres Puzzleteil in dieser Diskussion.
Quelle:
Spiegel Online