Von Thomas Becker
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen verhandelt am Mittwoch (20.01.2016) über die Klagen mehrerer Cannabiskonsumenten. Sie hatten den Führerschein verloren, weil sie bei Verkehrskontrollen den berauschenden Cannabiswirkstoff [lexicon]THC[/lexicon] im Blut hatten. Inzwischen hat aber eine Expertenkommission den Grenzwert für die erlaubte [lexicon]THC[/lexicon]-Konzentration erhöht.
Es könnte ein Urteil mit Signalwirkung werden. Denn das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen ist bundesweit das erste Gericht, das über die Anwendung der neuen Grenzwerte entscheidet. Fünf Autofahrer aus Essen, Bochum und Gelsenkirchen haben geklagt. Sie alle hatten den Führerschein verloren, weil in ihrem Blutserum mehr als ein Nanogramm [lexicon]THC[/lexicon] pro Milliliter gefunden wurde. Viele Jahre galt das als Grenze, ab der die Führerscheinbehörden davon ausgingen, dass der betroffene Fahrer "zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet" ist. Und das nicht nur vorübergehend, wie beim vierwöchigen Fahrverbot für Autofahrer mit mehr als 0,5 Promille Alkohol im Blut, sondern ganz grundsätzlich. Die Folge: Ein Führerscheinentzug auf Dauer – mit der Möglichkeit, nach einer gewissen Zeit die aufwändige und teure medizinisch-psychologische Untersuchung zu absolvieren, den sogenannten Idiotentest. Wer dann keinerlei Cannabisrückstände im Blut hat, kann den Führerschein zurückbekommen.
Wirkstoff lange nachweisbar
Kritik an dem bisher gültigen Grenzwert für die [lexicon]THC[/lexicon]-Konzentration gibt es schon lange. Denn es gibt keine Studien, die belegen, dass ein Autofahrer ab dieser Schwelle tatsächlich nicht mehr fahrtüchtig ist. So weist der Vorsitzender der "Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin", der Mediziner Franjo Grotenhermen darauf hin, dass im Blut von Haschischrauchern unmittelbar beim Kiffen der [lexicon]THC[/lexicon]-Gehalt bis zu 300 mal über dem Grenzwert liegen kann. Auch wenn die berauschende Wirkung längst vorbei sei, könnten Reste des Wirkstoffs noch im Blut nachgewiesen werden. Grotenhermen fordert deshalb seit langem eine deutliche Anhebung der Schwelle, ab der man durch Cannabis den Führerschein verliert.
Grenzwert für [lexicon]THC[/lexicon] verdreifacht
Festgelegt werden solche Drogen-Grenzwerte von einer sogenannten Grenzwertkommission. Das ist eine Arbeitsgruppe von Fachleuten, die unter anderem die Bundesregierung berät. Ihr Vorsitzender ist der Toxikologe Prof. Thomas Daldrup vom Universitätsklinikum in Düsseldorf. Das Verwaltungsgericht will ihn heute als Sachverständigen befragen. Denn die Kommission hat im vergangenen September tatsächlich den [lexicon]THC[/lexicon]-Grenzwert auf das Dreifache angehoben. Ihre Empfehlung: Erst ab einem Gehalt von drei Nanogramm [lexicon]THC[/lexicon] in einem Milliliter Blutserum sollten die Behörden davon ausgehen, dass ein Cannabisraucher fahruntüchtig ist. Die Städte und ebenso die Gerichte haben sich bisher an den Empfehlungen der Kommission orientiert. Sollte das Verwaltungsgericht entsprechend entscheiden, könnten viele Haschischraucher in ganz Deutschland darauf hoffen, ihren Führerschein ohne "Idiotentest" zurück zu bekommen.