In der hanfseite.de Interview-Reihe kommen Aktivisten, Befürworter und Gegner der Cannabis-Legalisierung zu Wort. Heute sprechen wir mit Herrn Prof. Dr. Lorenz Böllinger, der Anfang 2014 eine viel beachtete Resolution zur Legalisierung von Cannabis und anderen Drogen veröffentlicht hat.
Wer sind Sie und was machen Sie?
Prof. Dr. jur. Lorenz Böllinger, Dipl.-Psych. Als emeritierter Prof. für Strafrecht und Kriminologie bin ich aktuell noch mit Forschung beschäftigt, z.B. zum Terrorismus und zu Sexualkriminalität. Als niedergelassener appr. Psychotherapeut / Psychoanalytiker (DPV/IPA) bin ich in eigener Praxis tätig, insbesondere auch mit Sexualdelinquenz und Transgender-Patienten. Weiterhin bin ich tätig als forensischer Psychologe und Lehranalytiker (DGPT).
Wie denken Sie über die Legalisierung von Cannabis?
Ich halte sie für seit langem überfällig.
Herr Prof. Dr. Böllinger, Sie haben Anfang 2014 zusammen mit über 120 anderen Strafrechtsprofessoren eine viel beachtete Resolution verfasst, in der Sie den Gesetzgeber auffordern, die Prohibition von Drogen zu unterbinden. In Ihrer Forderung beziehen Sie sich nicht explizit auf Cannabis und Ihre Argumentation lässt sich auf beliebige Drogen übertragen. Sind Sie für eine Legalisierung jeglicher Drogen?
Strafrecht ist für alle psychotropen Substanzen der falsche Weg zur Abstinenz der Gebraucher oder auch nur zu staatlicher Kontrolle von Herstellung, Vertrieb, Angebot und Nachfrage. Im Gegenteil: durch die Illegalität gibt der Staat seine Kontrollmöglichkeiten aus der Hand, wie er sie bei anderen potentiell gefährlichen Substanzen gesetzlich geregelt hat – z.B. Tabak, Alkohol, Medikamente, Chemikalien, Waffen etc.
Angenommen die rechtlichen Rahmenbedingungen würden in Deutschland dahingehend geändert werden, dass Cannabis vergleichbar mit Alkohol behandelt würde, was dem häufig gewünschten Zustand der „Legalisierung“ entsprechen würde. Welche Nachteile hätte dies aus Ihrer Sicht?
Ich sehe keine Nachteile, vorausgesetzt es wird eine sachgerechte, wissenschaftlich begründete und praktikable Form der Regulierung gefunden. Analog zum Tabak-, Alkohol- und Arzneimittelrecht können dann Verstöße gegen die Modalitäten der Regulierung sogenannte „akzessorische“ Strafnormen erlassen werden – die aber nicht den Konsumenten als solchen treffen dürfen.
In Ihrer Resolution appellieren Sie an die Mitglieder des Bundestags, den Fraktionszwang hinten an zu stellen und der Vernunft zu folgen. Zumindest bisher ist diesem Aufruf noch niemand gefolgt. In welcher politischen Konstellation wäre aus Ihrer Sicht in den nächsten Jahren eine Legalisierung möglich bzw. am wahrscheinlichsten?
Doch: Die Fraktionen der Grünen und der Linken haben einen entsprechenden Antrag auf Einrichtung einer Evaluationskommission für das BtmG gestellt, der am 5.11. im Gesundheitsausschuss debattiert wird und möglicherweise zu einer Vorlage an das Plenum führt. Erst nach einer solchen Evaluation ist eine Reform denkbar. Aktuell sind auch vereinzelte Abgeordete aus SPD und sogar CDU der Sache gegenüber aufgeschlossen. Im nächsten Bundestag könnte die Hemmung geringer sein, für eine solche Initiative zu stimmen. Vor allem, nachdem voraussichtlich demnächst vier US-Staaten Cannabis legalisiert haben werden. Am wahrscheinlichsten wäre eine Legalisierungsentscheidung unter Rot-Grün oder Rot-Rot-Grün.
Herr Prof. Dr. Böllinger, vielen Dank für dieses Interview! Möchten Sie den Lesern sonst noch etwas mitteilen? Wie können interessierte Leser Ihre Arbeit verfolgen?
Interessierte Leser können meine Arbeit auf der Webseite des Schildower Kreises verfolgen.
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Prof. Dr. Lorenz Böllinger Foto: mit freundlicher Genehmigung von Herrn Böllinger