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Warum Cannabis legalisiert werden sollte
Inhalt
0 Warum noch über Cannabis nachdenken?
1 Die Gefahren, die von Cannabisprodukten ausgehen
2 Andere Argumente für das Cannabisverbot
3 Wie sollte der Handel geregelt werden?
4 Drogenpolitische Folgen der Legalisierung
5 Weitere Folgen der Legalisierung
6 Fazit
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0 Warum noch über Cannabis nachdenken?
Am 9. März 1994 (BverfGE 90,145) hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, daß das Verbot von Cannabisprodukten von der Verfassung noch gedeckt sei, die Strafandrohung bei kleinen Mengen wegen verfassungsrechtlicher Bedenken aber nicht umgesetzt werden sollte. Damit darf das letzte Wort in dieser Diskussion aber nicht gesprochen sein. Im Gegenteil, ein Gesetz am Rande des verfassungsrechtlichen Rahmens muß besonders kritisch geprüft werden.
1 Die Gefahren, die von Cannabisprodukten ausgehen
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß ausführlich dargestellt, welche Gefahren durch Cannabis drohen und welche nicht: Cannabis ruft keine körperliche Abhängigkeit hervor. Es bewirkt keine Toleranzbildung. Die Theorie von Cannabis als "Einstiegsdroge" wird von der Wissenschaft "überwiegend abgelehnt" .
Als vorhandene Gefahren beschreibt das Gericht: psychische Abhängigkeit (Allerdings ist das Suchtpotential "sehr gering" ), mögliche psychische Störungen (Verhaltensstörungen, Lethargie, Depressionen, ...) vor allem bei Jugendlichen, einen "Umsteigeeffekt" sowie die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit.
1.1 Der Umsteigeeffekt ("Einstiegsdroge")
Psychische Abhängigkeit, psychische Störungen und eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit sind offensichtlich Gefahren, mit denen man sich auseinandersetzen muß, bevor man die Legalisierung von Cannabis fordern kann. Die vierte genannte Gefahr, der Effekt des Umsteigens auf harte Drogen, ist aber laut Bundesverfassungsgericht auf den gemeinsamen Drogenmarkt zurückzuführen. Da es bei einer Legalisierung von Cannabis keinen gemeinsamen Drogenmarkt von Cannabis und z.B. Heroin mehr gäbe, spricht dieser Punkt für die Legalisierung: Wenn denen, die einmal eine anderes Rauschmittel als Alkohol probieren möchten, eine legale Möglichkeit eröffnet wird, ersparen sie sich die Suche nach einem Dealer, bei dem sie dann meist auch harte Drogen kaufen können.
1.2 Die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit
Die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit stellt natürlich eine Gefahr für die Öffentlichkeit dar. Selbstverständlich muß das Autofahren während eines Cannabisrauschs verboten bleiben. Aufgrund dieser Gefahr jedoch den Konsum gleich zu verbieten, wäre eine maßlose Überreaktion. Dies ist so offensichtlich, daß ein Verweis auf die Gleichbehandlung mit Alkohol und Medikamenten (z. B. Sedativa) fast überflüssig erscheint.
1.3 Die Möglichkeit der psychischen Abhängigkeit
In der Bewertung der Risiken ist der bekannte Vergleich zu Alkohol hilfreich. Dessen Suchtpotential ist hoch: Es macht nicht nur psychisch, sondern auch physisch süchtig. Es gibt in der Bundesrepublik mehrere Millionen Alkoholiker und jedes Jahr eine große Zahl Alkoholtoter.
Über Cannabis sagt das Bundesverfassungsgericht: "Andererseits wird die Möglichkeit einer psychischen Abhängigkeit kaum bestritten, dabei wird aber das Suchtpotential der Cannabisprodukte als sehr gering eingestuft." Das Suchtpotential von Cannabis ist anscheinend wesentlich geringer als das der legalen Droge Alkohol.
1.4 Die Möglichkeit psychischer Störungen
Die Broschüre "Alltagsdrogen und Rauschmittel", herausgegeben im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit, nennt folgende psychische Störungen, die Alkohol verursachen kann: "...Schäden auf seelischem Gebiet, Nachlassen des Gedächtnisses, verminderte Leistungsfähigkeit, Depressionen, Angst..." Der Große Brockhaus nennt zusätzlich das Delirium "mit Sinnestäuschungen, bes. opt. Halluzinationen, und mit örtl. und zeitl. Desorientiertheit."
Die entsprechende Bewertung von Cannabis (Bundesverfassungsgericht): "Ferner wird beschrieben, daß der Dauerkonsum von Cannabisprodukten zu Verhaltensstörungen, Lethargie, Gleichgültigkeit, Angstgefühlen, Realitätsverlust und Depressionen führen könne und dies gerade die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen nachhaltig zu stören vermöge."
Die Gefahren psychischer Störungen bei langem Konsum von Alkohol und Cannabis sind wohl vergleichbar.
Nicht so die Gefahren physischer Störungen. Diese sind bei Alkohol bekanntermaßen groß. Bei Cannabis sind sie laut Bundesverfassungsgericht "eher gering" und das Gericht nennt dann auch keine Beispiele. Und dementsprechend gibt es auch keinen belegten Fall eines Menschen, der an einer Überdosis Cannabis gestorben wäre.
Ein Lübecker Gericht kam daher zu dem Schluß: "das reale Risiko von Cannabis liegt sehr weit unter dem mit Nikotin und Alkohol verbundenen Risiko". Die vom Bundesverfassungsgericht genannten psychischen Gefahren bezeichnet dieses Gericht als "sehr seltene Einzelfälle" "bei langjährigem chronisch-exzessivem Konsum."
1.5 Fazit
Das Bundesverfassungsgericht behauptet, von Cannabisprodukten gingen "auch nach dem jetzigen Erkenntnisstand nicht unbeträchtliche Gefahren und Risiken" aus, die ein Verbot rechtfertigten. Diese Folgerung hält dem Vergleich zu Alkohol nicht stand.
2 Andere Argumente für das Cannabisverbot
Die angeblich "nicht unbeträchtlichen Gefahren" reichten dem Bundesverfassungsgericht zur Begründung eines Verbots anscheinend nicht aus. Es wurden daher noch weitere Argumente vorgebracht.
2.1 Alkohol - Droge oder Genußmittel?
Der Frankfurter Rundschau vom 29.04.1994 ist als Argument des Bundesverfassungsgerichts zu entnehmen: "Alkohol werde nicht überwiegend konsumiert, um Rauschzustände zu erreichen. Dagegen ziele Cannabiskonsum typischerweise auf die berauschende Wirkung." Der Brockhaus sagt dazu, schon "der Genuß alkoholischer Getränke in kleinen Mengen wirkt anregend" und "Der übermäßige Genuß von Alkohol ist ein weltweit schnell wachsendes Problem."
Dieses Problem verschweigt des Bundesverfassungsgericht: Alkohol ist nicht einfach ein Genußmittel, von dem man ein wenig trinkt, weil es schmeckt. Alkohol wird viel zu oft übermäßig getrunken, wie die Zahl der Alkoholtoten beweist!
2.2 Ein "sozialethisches Unwerturteil"
In einem Minderheitenvotum hat sich die Verfassungsrichterin Karin Grasshof für das Verbot von Cannabis ausgesprochen, das nötig sei, um das "sozialethische Unwerturteil" zum Ausdruck zu bringen. Cannabiskonsum sei also verwerflich, und das soll der Richterin zufolge auch durch ein Strafgesetz ausgedrückt werden. Nicht so der Alkoholkonsum. Er ist zwar weit schädlicher, wird aber von der Gesellschaft akzeptiert. Die Ansicht einer Mehrheit in der Gesellschaft in Strafrecht umzumünzen ist aber nicht automatisch gerecht: Die Mehrheit bestimmt so, auf welche Weise der Einzelne sich berauschen darf, ohne auf die Gefährlichkeit der gewählten Droge zu achten. Sie schränkt also seine Freiheit ohne Berücksichtigung rationaler Argumente ein.
2.3 Tradition
In Diskussionen über die Legalisierung war zu hören, daß Cannabiskonsum im Gegensatz zum Alkoholkonsum in Europa keine Tradition habe. Abgesehen davon, daß Tradition kein Unrecht rechtfertigen kann: Es ist nicht einmal wahr. Hanf war den Germanen schon vor mindestens 2500 Jahren bekannt (laut Brockhaus) und wurde noch bis in die Mitte dieses Jahrhunderts (im Süddeutschen Raum unter dem Namen "Knaster") konsumiert.
2.4 Fazit
Kein Argument für die Strafbarkeit von Cannabisprodukten ist bei näherer Betrachtung stichhaltig genug, um die große Zahl von Cannabiskonsumenten zu kriminalisieren.
3 Wie sollte der Handel geregelt werden?
Eine wichtige Frage bei der Legalisierung ist, wie der legale Handel geregelt werden soll. Dabei ist unter anderem zu beachten, wie man Jugendliche möglichst effektiv vom Cannabiskonsum ausschließen kann, da laut Verfassungsgericht vor allem diesen psychische Schädigungen drohen. Es muß auch darauf geachtet werden, daß keine zusätzlichen Anbieter von harten Drogen geschaffen werden.
3.1 Supermärkte
Der freie Verkauf von Cannabis sogar in Supermärkten wäre die konsequente Gleichstellung zum Alkohol. Er birgt jedoch die große Gefahr, daß der Zugang auch Jugendlichen leicht möglich wäre. Eine Kontrolle aller Verkaufsstellen wäre ausgeschlossen.
3.2 "Coffee Shops"
In den Niederlanden wird der Cannabiserwerb in sogenannten "Coffee Shops" geduldet. Bei einer überschaubaren Zahl solcher Cafés könnte in unregelmäßigen Abständen kontrolliert werden, ob illegale Drogen abgeben werden oder Jugendlichen der Cannabiserwerb oder -konsum ermöglicht wird.
3.3 Apotheken
Apotheken sind den Umgang mit Betäubungsmitteln gewöhnt. Es ergäbe sich durch den Handel mit Cannabisprodukten keine zusätzliche Gefahr des Handels mit illegalen Stoffen. Die ausschließliche Abgabe an Erwachsene sollte durch Apotheker kontrollierbar sein.
Eine Abgabe nur auf Rezept ist aber abzulehnen. Sie wäre eine Diskriminierung der Cannabiskonsumenten im Vergleich zu Alkoholkonsumenten, die ihr Rauschmittel fast überall bekommen.
3.4 Fazit
Die Abgabe von Cannabisprodukten durch Apotheken scheint geeignet, Mißbrauch zu verhindern. Außerdem bewirkt der Verkauf in Apotheken eine größere Hemmschwelle als der in gemütlichen Cafés.
Vermarktungsorientierte Werbung für Cannabisprodukte muß verboten sein, wie es auch für Alkohol und Nikotin gelten sollte. Sachliche Aufklärung muß hingegen gestattet werden.
4 Drogenpolitische Folgen der Legalisierung
Welche Auswirkungen auf die Drogenpolitik sind von einer Legalisierung zu erwarten?
4.1 Die Rechtsunsicherheit wird beendet
Nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts sollen die Behörden bei geringen Mengen von Cannabisprodukten von der Strafverfolgung absehen. Diese Regelung kann zu Willkürentscheidungen von Staatsanwälten führen. Denn: Wie groß ist sie, die "geringe Menge"? Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundesländer aufgefordert, für eine einheitliche Einstellungspraxis zu sorgen. Der Presse war jedoch zu entnehmen, daß das bis heute nicht gelungen ist.
Dieser Zustand der Rechtsunsicherheit wäre durch eine Legalisierung endgültig beendet.
4.2 Transparenter Cannabismarkt
Ein staatlich kontrollierter Markt für Cannabisprodukte wäre von Vorteil:
Für den Konsumenten, der sich sicher sein kann, eine Droge zu konsumieren, die frei von Streckmitteln gewinnsüchtiger Dealer ist. Für die Wissenschaft, die dann aussagekräftige Daten über Cannabiskonsum und -konsumenten gewinnen kann. Und für den Staat, der mit Hilfe dieser Daten eine systematischere Drogenprävention durchführen kann.
4.3 Glaubwürdigere Drogenpolitik und -aufklärung
Die heutige Drogenaufklärung unterscheidet leider nur selten realistisch genug zwischen harten und weichen Drogen. Sie beschreibt oft nur negative Rauschzustände wie Ängste. Teilweise wird noch das Märchen erzählt, daß einem Drogen untergeschmuggelt werden, um einen süchtig zu machen. Das sind gewiß gutgemeinte Versuche, junge Menschen von Drogen fernzuhalten. Aber nur realistische Aufklärung kann potentielle Konsumenten von harten Drogen abschrecken.
Wenn sich die differenzierende Bewertung von Drogen in Strafrecht und Aufklärung durchgesetzt hat, ist der Kampf gegen harte Drogen leichter zu führen. Man kann jungen Menschen dann erklären, Alkohol und Cannabis bergen diese und jene Gefahren, dürfen aber von Erwachsenen konsumiert werden, Heroin und Crack sind aber deutlich gefährlicher und daher verboten.
4.4 Ausdünnung des illegalen Drogenmarkts
Der Umsatz der Drogenmafia würde sich in Deutschland durch die Legalisierung von Cannabisprodukten verringern. In der Folge gäbe es weniger Dealer. Das würde vielen Menschen, gerade der Landbevölkerung, den Zugang zu anderen Drogen erschweren.
4.5 Fazit
Die Legalisierung von Cannabis könnte einen kontrollierteren und weniger gefährlichen Konsum ermöglichen. Außerdem wäre er hilfreich im Kampf gegen weit gefährlichere Drogen.
5 Weitere Folgen der Legalisierung
Was würde die Legalisierung über den Rahmen der Drogenpolitik hinaus bewirken?
5.1 Zusätzliche Steuereinnahmen
Der illegale Drogenhandel kann von keinem Finanzamt kontrolliert werden. Ein legaler Handel mit Cannabis wäre hingegen eine zusätzliche Geldquelle für den Staat. Auch wenn der Staat auf eine spezielle Besteuerung in der Art der Tabak- und der Alkoholsteuern verzichtet, würde der Handel in jedem Fall von der Umsatzsteuer erfaßt.
5.2 Konzentration der Strafverfolgungsbehörden auf wichtigere Aufgaben
Noch müssen Polizisten, Staatsanwälte und Richter sich mit Cannabis beschäftigen. Dabei gibt es ja wirklich Wichtigeres zu tun: Es gilt, das organisierte Verbrechen zu bekämpfen und die innere Sicherheit zu gewährleisten. Diese Ziele würden durch eine Legalisierung von Cannabis unterstützt, da zusätzliche Kräfte der Strafverfolgungsbehörden dafür bereitgestellt werden könnten.
5.3 Die verbotene Medizin
THC, der Hauptwirkstoff von Cannabis, wurde 1980 in den USA als klinisch brauchbares Medikament klassifiziert. In folgenden Anwendungsbereichen liegen positive Erkenntnisse vor, die sich nach einer Legalisierung erforschen und nutzen ließen:
- Antibiotika
- Antibrechmittel und Appetitanreger (bei Chemotherapien lebensrettend)
- Asthma
- Augenleiden (grüner Star)
- Epilepsie
- Beruhigungs- und Antischmerzmittel
5.4 Fazit
Die Legalisierung brächte der Gesellschaft bedeutende finanzielle Vorteile. Und sie würde die vielfältige medizinische Anwendung von Cannabis ermöglichen.
6 Fazit
Die derzeitige Gesetzeslage stellt Menschen, die sich berauschen wollen, vor die Wahl, dieses entweder sehr gesundheitsschädlich und legal, oder weniger gesundheitsschädlich, dafür aber illegal zu tun. Dieser Zustand ist unhaltbar.
Cannabis muß legalisiert werden.