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mal wieder was Neues zum Thema TTIP:
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Deutsche Wirtschafts Nachrichten | Veröffentlicht: 14.11.14 18:04
TTIP: Der Bundestag ist zum Zuschauen verdammt und kann keinen Einfluss nehmen
Die aktuelle Diskussion um TTIP und CETA ist ein gewaltiges Ablenkungsmanöver: Tatsächlich leitet die juristische Form der neuen Freihandelsabkommen das Ende der Mitwirkung der nationalen Parlamente in der Frage des Schutzes der Konsumenten ein. Künftig können zentrale Fragen der Gesellschaft von der demokratisch nicht legitimierten EU-Kommission behandelt werden. Die Bürger werden mit dem Hinweis auf den Schutz für „Steirisches Kernöl“, „Schwarzwälder Schinken“ oder „Thüringer Rostbratwurst“ hinters Licht geführt.
Während sich die politischen Partei vordergründig um das kaum jemanden wirklich bekannte Thema Schiedsgerichte streiten, ist eine andere Folge der aktuellen Freihandelsabkommen viel gravierenden – und im Grunde unumkehrbar: Die Zentralisierung der Bürokratie in Europa und die Aushebelung der nationalen Parlamente. In der Folge kann diese Entwicklung dazu führen, dass die nationalen Parlamente keinen Einfluss mehr auf wichtige Entscheidungen mehr treffen können: So hat eine aktuelle, unabhängige Studie ergeben, dass das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA in Europa 583.000 Arbeitsplätze vernichten könnte.
Wenn man betrachtet, welch weitreichende Wirkung die Selbst-Entmachtung der EU im Falle der Sanktionen-Russlands hat, kann man sich vorstellen, welch untergeordnete, ja folkloristische Funktion die nationalen Parlamente künftig spielen werden. Es ist kein Zufall, dass US-Vizepräsident Joe Biden die EU auffordert, das TTIP zügig fertigzustellen. Er tut dies just in derselben Rede, in der er Angela Merkel und die anderen EU-Regierungschefs bloßstellt: Biden gibt nämlich offiziell bekannt, dass die EU die Sanktionen nicht wollte – und von der US-Regierung gezwungen wurde, Schaden in Kauf zu nehmen für geopolitische Pläne, die ausschließlich im Interesse Washingtons und der dort tätigen Industrie-Lobbyisten liegen.
Mit Inkrafttreten des Lissabonner Vertrag 2009 wurde der EU die alleinige Kompetenz für den Beschluss von Freihandelsabkommen übertragen, insbesondere mit Bezug auf Dienstleistungen, geistiges Eigentum und Auslandsdirektinvestitionen.
In dem Zeitraum zwischen 1959 und heute haben EU-Mitgliedstaaten mit Drittstaaten fast 1.400 Investitionsschutzabkommen verhandelt. Diese wurden dann jeweils von den nationalen Parlamenten der Vertragsparteien ratifiziert. Laut der EU-Kommission müssen diese 1.400 Staatsverträge aber nun nach und nach neu verhandelt werden, und zwar von der EU-Kommission selbst.
Das CETA ist der erste wirkliche Ausdruck einer neuen Wirtschaftsordnung. Obwohl die Kommission angeblich versteht, dass ein für alle gleicher „Universalstaatsvertrag“ weder machbar noch wünschenswert sei, ist das CETA genau das: eine simplifizierte Einheitslösung die auf nationaler Ebene verhandelte Abkommen mit einem Schlag komplett überflüssig macht.
Das CETA ist bereits unterzeichnet. Die Titelseite bestätigt: „Der Text in diesem Dokument ist das Resultat der von der EU-Kommission geführten Verhandlungen. [Nach einen juristischen Überprüfung] wird das Dokument an den europäischen Rat und das Europaparlament zur Ratifizierung übersandt.“
Die EU-Kommission führte die Verhandlungen. Der europäische Rat und das Europaparlament sollen den Staatsvertrag ratifizieren. Dann wären alle 28 EU-Mitgliedstaaten an die völkerrechtlichen Normen darin gebunden. Sieben EU-Mitgliedstaaten haben bereits Investitionsschutzverträge mit Kanada geschlossen. Diese wären dann mit einem Mal überholt. Die demokratischen Institutionen der Mitgliedstaaten entmachtet.
Möglich gemacht wurde dieser „power grab“ durch den am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Lissabonner Vertrag. Laut Paragraf 207 hat nun die EU die alleinige Kompetenz über die „Änderung von Zollsätzen, für den Abschluss von Zoll- und Handelsabkommen, die den Handel mit Waren und Dienstleistungen betreffen, und für die Handelsaspekte des geistigen Eigentums, [sowie] die ausländischen Direktinvestitionen“.
Seitdem diskutieren Akademiker und Wirtschaftsakteure über das genaue Ausmaß dieser neugewonnenen Kompetenz. Die EU lässt keinen Zweifel aufkommen. Sie sieht sich als alleinigen Verhandler für Freihandelsverträge mit Drittstaaten.
Im August diesen Jahres zum Beispiel erließ das Europaparlament eine Verordnung, welche die finanzielle Verantwortung der Mitgliedstaaten reguliert. Laut dieser Verordnung müsste ein Mitgliedstaat bei einem Verstoß gegen CETA in der Regel Schadenersatz leisten, obwohl dieses von der EU ausverhandelt wurde. Einzige Ausnahme ist wenn der Verstoß eines Mitgliedstaates direkt der EU zuzuschreiben ist, zum Beispiel durch eine EU-Verordnung. Dann würde der Schadenersatz aus dem EU-Etat bezahlt. Für Deutschland bleibt also einzig die Entscheidung ob eine Strafe vom jeweiligen Bundesland oder vom Bund selbst bezahlt werden soll.
Der Inhalt vom CETA ist brisant. Aber nicht weil kanadische Unternehmen dadurch die Möglichkeit bekämen, Verstöße der Vereinbarung vor unabhängigen Schiedsgerichten zu beklagen. Sondern weil die 512 Seiten des Vertragsentwurfes eine beispiellose bürokratische Zentralisierung nach Brüssel eingeläutet haben.
Man nehme zum Beispiel Paragraf X.08. Dieser Absatz regelt die Wasserressourcen der Vertragsparteien. Laut Absatz 1 ist natürliches Wasser kein Gut und kein Produkt und wird prinzipiell von dem Abkommen ausgeschlossen. Absatz 2 bestätigt, dass jede Vertragspartei das Recht hat, seine jeweiligen Wasserressourcen zu schützen und zu erhalten. Wenn eine Vertragspartei die kommerzielle Nutzung einer bestimmten Wasserquelle erlaubt, muss dies laut Absatz 3 „im Einklang mit diesem Abkommen“ erfolgen.
Aber wer sind jetzt nun die „Vertragsparteien“? Sind es die EU und Kanada? Oder sind es die Mitgliedstaaten der EU und Kanada? Natürlich haben nur die Staaten selbst die Entscheidungshoheit über ihre Wasserquellen, nicht aber die EU. Daran kann und darf es keinen Zweifel geben. Trotzdem scheint diese Klausel die Grenzen zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten zunehmend zu verwischen.
Ein weiterer interessanter Aspekt des CETA ist das Konsultationsverfahren in Artikel X.18, Kapitel 10, Investitionen. Laut dieser Klausel sollen Streitparteien bei Investitionsschutzstreitigkeiten mindestens 60 Tage lang eine Einigung verhandeln. Bei diesen Streitigkeiten steht in der Regel ein Staat auf der einen, und ein Unternehmen oder eine Privatperson auf der anderen Seite.
Sobald eine Streitigkeit einer Maßnahme der EU „berührt“, sollen Verhandlungen über eine Einigung in Brüssel stattfinden. Nur wenn die Maßnahme eines Mitgliedstaates „ausschließlich“ die des Mitgliedstaates ist, sieht das CETA Verhandlungen in der Hauptstadt dieses Mitgliedstaates vor. Die Mehrzahl der Streitigkeiten berühren mit großer Wahrscheinlichkeit EU-Maßnahmen. Brüssel wird also zunehmend an Relevanz gewinnen.
Um die Öffentlichkeit zu beruhigen, haben sich die Verhandler das CETA etwas Nettes ausgedacht. Ungefähr 200 der mehr als 1.200 geschützten europäischen Produktbezeichnungen sind durch die eigentumsrechtlichen Normen des CETA geschützt, berichtet die FAZ. Abgesehen davon, dass also 1.000 europäische Produktbezeichnungen nicht mehr geschützt sind, wird den staunenden Bürgern als großer Erfolg der EU die groteske Tatsache verkauft, dass Kanadische Unternehmen ihre Produkte nicht „Steirisches Kernöl“, „Schwarzwälder Schinken“ oder „Thüringer Rostbratwurst“ nennen dürfen.
Die europäische Demokratie ist im CETA ausdrücklich nicht als schützenswertes Gut aufgeführt.
Quelle:
Chill out. hemp_blatt