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Der teure Kampf gegen Cannabis
Grüne fordern eine Abkehr von der Null-Toleranz-Politik im Görlitzer ParkEnde März hatte der Senat, allen voran Innensenator Frank Henkel (CDU), den Görlitzer Park in Kreuzberg zur drogenfreien Zone ausgerufen. Es gilt seither die Null-Toleranz-Regel. Das heißt, schon der Besitz kleinster Mengen Cannabis im Park wird verfolgt – und manchmal auch bestraft. Überall sonst in der Stadt werden bis zu fünfzehn Gramm toleriert.
Mit hohem Aufwand geht die Berliner Polizei seit November gegen die Drogenhändler im Görlitzer Park vor. Auslöser damals: Der Betreiber einer nahen Shisha-Bar stach zwei Dealer nieder. Seither sind Razzien an der Tagesordnung. Von Anfang des Jahres bis Ende Juli gab es 1158 Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Drogenverbot. 804 Verdächtige wurden ermittelt. Das geht aus einer Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Benedikt Lux hervor. Dabei beschlagnahmte die Polizei 15 Kilo Marihuana. Allerdings nur in 28 Fällen mehr als 15 Gramm. In 1432 Strafverfahren seit November 2014 wurden in 253 Fällen Anklage erhoben – das waren mehr Fälle als früher, als so gut wie alle Verfahren eingestellt wurden. Dennoch wurden seit Mitte Dezember rund 860 Verfahren, oft wegen geringer Mengen vor Gültigkeit der Null-Toleranz-Regelung eingestellt, aber auch weil der Aufenthaltsort der Beschuldigten nicht bekannt war. In 149 Verfahren wird noch ermittelt. Hat sich der Aufwand der Polizei nun gelohnt?
"Der Preis ist zu hoch", sagte Benedikt Lux, "umgerechnet bedeutet das: 4,3 Polizeiarbeitsstunden, um ein Gramm Cannabis zu finden." Er sieht in der Einsatztaktik der Polizei eine "teure Symbolpolitik". Legt man den 38.236 Einsatzstunden einen Preis von 19,44 Euro pro Stunde zugrunde – so viel zahlt die Polizei, wenn sie beispielsweise am 1. Mai Einsatzkräfte aus anderen Bundesländern anfordert –, kommt man auf 743.832 Euro für die Einsätze bis Ende Juli. Lux fordert deshalb einen Taktikwechsel. Mittlerweile werde ja in vielen Parks und auch in Wohnungen rund um den Görlitzer Park organisiert mit Marihuana gehandelt. "Dagegen muss mit gezielten Polizeieinsätzen vorgegangen werden", sagte Lux. Außerdem müsse es gezieltere Kontrollen bei den Großhändlern geben.
Auch bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht man die bisherige Strategie rund um den Görlitzer Park kritisch. "Gibt es größere Lagen, wie Demonstrationen oder Staatsbesuche in der Stadt, dann brechen die Einsatzzahlen massiv ein, weil Einsatzhundertschaften nicht zur Verfügung stehen", sagte Steve Feldmann von der GdP. Doch die Null-Toleranz-Regel funktioniere nur, wenn sie "stringent und konsequent" umgesetzt werde. Zudem verlagere sich die Drogendealerszene zunehmend in Häuser rund um den Görlitzer Park, auf das RAW-Gelände und in die Hasenheide. Kritisch sieht der Gewerkschafter auch den Umstand, dass für die Einsätze Beamte in einer hohen zweistelligen Zahl aus der Direktion 5 abzogen wurden. Innensenator Frank Henkel weist die Vorwürfe, die Einsätze seien teuer erkauft, weil die Beamten woanders fehlen, zurück: "Das zeugt von einem falschen Verständnis der Situation. Es geht nicht nur um Drogen, sondern auch um Begleiterscheinungen des Drogenhandels, um Revierkämpfe und Gewalt", sagte Henkel. "Ausgangspunkt war eine unerträgliche Situation für die Anwohnerinnen und Anwohner." Der hohe Druck sei wichtig, sagte der Senator weiter. "Wir investieren viel Kraft, und das wird sich langfristig auszahlen. Es bleibt dabei: Wir brauchen einen langen Atem."
Gegenspielerin von Henkel in Sachen Drogenbekämpfung ist die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann. Die Grüne streitet für die Legalisierung von Cannabis in ihrem Bezirk. In Coffee-Shops soll Cannabis legal verkauft werden: an Volljährige und maximal 30 Gramm pro Monat. Ende Juni stellte sie dazu einen Antrag an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Das muss nun darüber entscheiden.
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