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Legalisierung könnte einen Wirtschaftsboom auslösenWird Deutschland zum zweiten Colorado in Cannabis-Fragen? Strafrechtsexperten und Politiker plädieren für eine Entkriminalisierung der Droge. Das hätte auch wirtschaftliche Folgen - und davon könnte die Staatskasse profitieren.
Über Berlin-Kreuzberg scheint die Sonne. Im Görlitzer Park spielt eine Band. Im hinteren Teil des Parks stehen Männergruppen. Schwarz, jung, afrikanischer Hintergrund.
"Grass?"
"Ich bin Journalist. Ich will Haschisch kaufen. Für zehn Euro."
"Von 30 Euro normalerweise."
"Echt? Für zehn Euro gar nicht?"
"No, no, nicht. Hier keine Drogen. Wann du willt Drogen zu die weite Leute..."
An Journalisten wird hier offenbar nicht verkauft. Unter Touristen und Einheimischen ist der Görlitzer Park als Verkaufsstelle für Haschisch und Marihuana bekannt. Die meisten Dealer hier sind dunkelhäutige Männer, die kaum oder gar kein Deutsch sprechen. Handelssprache ist Englisch. Es ist schwierig, Kontakt aufzunehmen. Dann finden sich doch welche, die über ihr Geschäft sprechen.
"Wir sind keine Kriminellen, und wir mögen das nicht, was wir hier machen. Wir verdienen manchmal nur zehn Euro am Tag. Dafür sind wir den ganzen Tag hier im Park. Wenn die Polizei kommt, müssen wir fliehen. Abends gehen wir nach Hause, kaufen uns mit dem Geld etwas zu essen, und manchmal rufen wir bei unserer Familie zu Hause an."
Der Mann nennt sich Madi, er ist Sprecher einer kleinen Gruppe junger Männer. Sie seien Asylbewerber ohne Arbeitserlaubnis. Oppositionelle, die aus ihrer Heimat Gambia in Westafrika geflohen sind. An Minderjährige würden sie nicht verkaufen, sagen sie.Deutsche Rockerclubs kontrollieren den Handel
Kontrollieren kann man das nicht. Wer ihre Auftraggeber sind und woher die Ware kommt, bleibt unklar. Wir hören später von Insidern, dass deutsche Banden hinter dem Geschäft stecken sollen, etwa Rockerclubs. Das Marihuana soll von illegalen Plantagen im Umland von Berlin stammen. Es handelt sich dabei meist um abseitig liegende, leerstehende Lagerhallen, in denen die Pflanzen unter künstlicher Beleuchtung gezüchtet werden.
Welche Mengen in dem Park abgesetzt werden, kann man schwer schätzen. Die Berliner Polizei vermutet, dass sich im Durchschnitt 60 bis 100 Dealer im Park aufhalten. Bei vielen ist 30 Euro die Mindestabgabemenge, darunter wird nicht verkauft. Das wären zwei bis drei Gramm. Wenn jeder Dealer nur zehn Geschäfte am Tag abwickelt, dann wechseln hier jeden Tag 30.000 Euro ihren Besitzer.
Angesichts der massiven Verbreitung dieser Droge und der Wirkungslosigkeit von Repressionsmaßnahmen fordern immer mehr Wissenschaftler, Juristen und Politiker eine Entkriminalisierung zumindest der Konsumenten dieser Droge. Kürzlich haben 122 deutsche Strafrechtsprofessoren gemeinsam eine Resolution veröffentlicht. Darin forderten sie den Bundestag auf, die deutsche Drogenpolitik zu überprüfen und das Drogenstrafrecht zu entkriminalisieren.
Bestärkt werden sie durch eine Entwicklung, die inzwischen auch das Mutterland des Anti-Drogen-Kriegs erreicht hat: Die US-Bundesstaaten Colorado und in Washington State haben bereits den Anbau und den Verkauf von Cannabisprodukten erlaubt. Ähnlich in Uruguay. In den Niederlanden wird schon seit Jahrzehnten der Verkauf toleriert, Spanien und Tschechien haben die Bestimmungen gelockert, und in Portugal droht Drogenkonsumenten keine Strafe mehr, sondern eine Therapie. In Deutschland ist der medizinische Gebrauch von Cannabis seit 2009 erlaubt.
Die Auffassung, bestimmte Drogen radikal zu verbieten, könnte ins Wanken geraten.CANNABIS: DAS PRODUKT
Das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung schätzt den Umsatz des weltweiten Drogenhandels auf 330 Milliarden Dollar, für Deutschland geht man von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr aus – doppelt so viel, wie in Deutschland für Schokolade ausgegeben wird. Der größte Teil des Umsatzes entfällt auf Cannabis. Wie viel genau, ist unklar.
Der europäische Markt wird vorwiegend aus Marokko beliefert. Allein mit marokkanischem Haschisch werden in Europa nach Schätzungen des UN-Büros rund zehn Milliarden Euro pro Jahr umgesetzt.
Dort produzieren geschätzt 200.000 Kleinbauern und ihre Familien Cannabis-Harz, also Haschisch. Im Durchschnitt stellt jeder Betrieb 15 Kilogramm pro Jahr her. Eine Million Menschen sollen von der Drogenherstellung leben. Der Spanier Miguel hat selbst auf einer Plantage in Marokko gearbeitet, er kennt die Vertriebswege von Haschisch genau. Miguel ist nicht sein richtiger Name.[...]
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