Ottobrunn - So hatte sich den Info-Abend niemand vorgestellt: Zuhörer, die mit dem Referenten streiten und trotzig erstmal zur Zigarette greifen.
Gerade hat Kriminalhauptkommissar Nicolo Witte berichtet, dass 120 000 Menschen jährlich an den Folgen von Nikotinkonsum sterben, 73 000 an Alkoholmissbrauch. Plötzlich stehen zwei junge Männer auf, holen demonstrativ eine Zigarettenschachtel aus der Hosentasche und gehen erstmal rauchen. Mit einer Flasche Bier in der Hand kehren sie zurück.
Der Informationsabend zum Thema „Alkohol, Cannabis und Co. – Rausch ohne Grenzen? Wo der Spaß aufhört“ im Wolf-Ferarri-Haus in Ottobrunn läuft deutlich anders als geplant. Immer wieder gibt es abstruse Momente und heftige Debatten. Eigentlich wollte die Frauenunion Ottobrunn bei diesem Info-Abend Eltern Tipps an die Hand geben, um ihre Kinder präventiv vor Drogen- und übermäßigen Alkoholkonsum zu schützen.
Doch an dem Abend entwickelt sich eine aggressiv geführte Diskussion zwischen Experten aus dem Publikum – ein Arzt, Jugendrichter und ein Mitarbeiter der Suchthilfe – und dem Referenten Witte. Der Sinn der Veranstaltung wird völlig verzerrt.
Witte stellt sich klar gegen die Legalisierung von Cannabis – und muss dafür einen schmalen Grat betreten. Er will aufklären und verunsicherten Eltern aufzeigen, weshalb ihre Kinder die Finger von Alkohol, Nikotin und vor allem Cannabis lassen sollten. Gleichzeitig wird der Experte für Sucht- und Drogenprävention von Verfechtern der Legalisierung der Droge massiv angegangen. „Die Strafverfolgung ist die schlimmste Nebenwirkung von Cannabis“, sagt einer. „Man kann Depressionen mit Cannabis heilen“, argumentiert ein anderer.
Einige unbedarfte Zuhörer fühlen sich provoziert und atmen auf, als Witte diese Thesen als „Schmarrn“ zurückweist. Zwar gibt der Kriminalhauptkommissar dem Jugendrichter recht, der einwirft, dass die repressive Cannabis-Politik keinen Erfolg habe; er stellte aber klar: „Das Zeug ist und bleibt gefährlich.“
Wie heiß die Frage, ob Cannabis entkriminalisiert werden soll oder nicht, nach wie vor debattiert wird, zeigt die permanente Unruhe im Saal. Sitznachbarn streiten halblaut untereinander, Witte diskutiert mit Experten und Befürwortern. Und diese verschrecken mit teils unhaltbaren Aussagen Bürger, die vor dem Abend gerade einmal wussten, dass Drogen schädlich sind. Unter anderem muss sich Witte die Frage gefallen lassen, ob er es verhältnismäßig finde, einer Frau 1900 Euro abzuknöpfen, wenn sie mit 0,1 Gramm Cannabis erwischt wird.
Dann wird es FU-Vorsitzender Inge Geißler zu bunt. Sie unterbricht h die Veranstaltung – aus zwei Gründen. Ein Jugendlicher im Publikum hat die Diskussion für Privatzwecke gefilmt und wird aufgefordert, die Daten sofort zu löschen. Außerdem bittet Geißler den Referenten, nicht mit Zuhörern im Saal in der Tiefe zu diskutieren, sondern unbedarften Eltern Ratschläge zu geben, wie sie ihre Kinder vor Drogen schützen können.
Sein Appell: „Sie müssen Ihren Kindern vermitteln, wie gefährlich das ist. Dazu brauchen Sie selbst ein breites Wissensspektrum.“ Eltern sollten die Ich-Stärke und Konfliktfähigkeit ihres Nachwuchses fördern. „Sie müssen die Kinder überzeugen, dass es nicht notwendig ist, Cannabis zu konsumieren, um ein interessantes Leben zu führen.“ Nähe und Vertrauen seien in der Eltern-Kind-Beziehung essenziell, damit Kinder keine Drogen als Ersatz für Anerkennung brauchen. Seine wichtigste Botschaft kann Nicolo Witte trotz aller Unruhe bei der Veranstaltung dann doch noch vermitteln.
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Cannabis und Co: Kurioser Info-Abend in Ottobrunn | Ottobrunn