Gestern wurde in Amsterdam der „Cannabis-Befreiungstag“ begangen, der als Ersatz für den Global Marihuana March veranstaltet wird. Dass die Amsterdamer Hanffreunde lieber feiern als marschieren, ist vor allem der niederländischen Drogenpolitik zu verdanken, die seit 1976 den Verkauf kleiner Mengen Haschisch und Marihuana über „Coffeeshops“ duldet und die Konsumenten weitgehend entkriminalisiert hat. So gab es für die benachbarten Brüder und Schwestern in den letzten vierzig Jahren keinen zwingenden Grund, beim Ordnungsamt vorstellig zu werden und eine politische Demonstration anzumelden. Die Niederländer leben ihre Cannabiskultur, ohne Strafverfolgung fürchten zu müssen.
Der „Cannabis Bevrijdingsdag“ ist dann auch kein GMM, der sich als lautstarke von der Polizei begleitete Demo präsentiert, sondern einfach nur ein gemütliches und entspanntes Treffen Gleichgesinnter im Flevopark – ganz so wie in alten Zeiten, als noch Geruhsamkeit des Kiffers erste Bürgerpflicht war.
Und so war es auch diesmal, als sich die Hanfcommunity zum achten Mal am Ufer des „Nieuwe Diep“ traf und das größte „cannabis en hennep evenement van Nederland“ mit Festivalcharakter feierte. Umstellt von Markt- und Infoständen verbrachten etwas mehr als tausend Besucher einen abwechslungsreichen Sonntag, hörten Musik und freie Rede, bestaunten Artisten, saßen im Kinozelt und traten zu landestypischen Spaßwettkämpfen wie dem Jointschnellwickeln an. Wie stets war das Publikum multikulturell geprägt, Alt und Jung reichten sich die Rauchgeräte und niemand vermisste die Bierbude.
Einen Höhepunkt gab es auch, als der fünfundachtzigjährige Dries van Agt, der von 1977 bis 1982 das Amt des Ministerpräsidenten innehatte, das Mikrofon ergriff und beherzt für eine komplette Legalisierung weicher Drogen plädierte. So nett das niederländische Modell der Cannabisduldung auch sei, „es ist absurd“, dass die Coffeeshops auf illegale Zulieferung der Handelsware angewiesen sind, resümierte van Agt unter dem Beifall der Zuhörer. Die Zukunft sei vielversprechend, und der kanadische Weg hin zu einem regulierten Markt müsse auch in den Niederlanden beschritten werden.
Und das sagte der Mann, der als CDA-Justizminister unter dem 1976 regierenden sozialdemokratischen Premier Joop den Uyl nur zähneknirschend zustimmte, als das Coffeeshop-Modell zur Bekämpfung des Straßenhandels zugelassen wurde. Dries van Agt zeigt sich auf seine alten Tage als geläuterter Mann, obwohl bei „nüchternder“ Betrachtung Zweifel bleiben, inwieweit aus einem erzkatholischen Christdemokraten ein „Gutmensch“ werden kann, dessen Herz plötzlich links schlägt.
Doch egal: Van Agt dankte der Amsterdamer Hanf-Community für die Einladung und verriet, dass es für ihn wie eine Art Selbstheilung ist, frei weg von der Leber sprechen zu dürfen und den linken Parteien zu wünschen, in Sachen Drogenpolitik einig und willensstark zu bleiben.
Schade, dass es in Deutschland keinen CDU-Kanzler a.D. gibt, der sich am 13. August in Berlin auf die Bühne begibt und anlässlich der 20. Hanfparade für das um Verzeihung bittet, was er wider besseres Wissen den Hänflingen angetan hat.