Cannabis gedeiht in Windsfeld prächtig
WINDSFELD - So mancher Radler, der am „Biohof Lüdke“ in Windsfeld seinen Drahtesel abstellt, um im Hof-Café ein Päuschen einzulegen, staunt etwas ungläubig. Das einzelne Pflänzchen, das hier vor einer kleinen Laube emporwächst, erinnert den kundigen Gast an so manche Reportage über das Hippie-Leben. „Das ist ja Hanf!“, staunt der Besucher. Und Hofchef Ewald Lüdke kann gelassen ergänzen: „Ja, ich hab ein ganzes Feld voll davon ...“
Und das schon im 20. Jahr. Denn seit 1997 baut der heute 62-Jährige ganz legal Cannabis an. Natürlich nur die zugelassenen Sorten. In unserer Region zählt der Windsfelder damit zu den Pionieren, die dazu noch bis heute dem besonderen Gewächs treu geblieben sind. Denn als er mit dem Anbau begann, schrieb man gerade einmal das Jahr zwei nach der offiziellen Freigabe des Nutzhanfs für Landwirte.
„Am Anfang war es die reine Neugierde“, die ihn dazu bewogen habe, diesen eher ungewöhnlichen Weg zu gehen, sagt er. Doch sie ist längst der Überzeugung gewichen. Der Hanf hat sich zum einen als sehr pflegeleicht erwiesen, zum anderen sei das daraus gewonnene Öl nicht nur äußerst gesund, sondern lasse vieles noch besser schmecken. Tomatensalat etwa werde dadurch noch leckerer.
Als Rauschmittel aber, so betont Lüdke, tauge sein Hanf nicht. Der Gehalt an dem entscheidenden Wirkstoff [lexicon]THC[/lexicon] sei so gering, „da müsste jemand schon ein ganzes Alphorn rauchen, damit er da etwas merkt“. Doch offenbar wollen es einige ganz genau wissen: Ab und zu findet der Landwirt Ewald Lüdke Spuren von Mofas in seinem 0,88 Hektar großen Cannabisfeld.
Auch der Gesetzeshüter hat ein waches Auge auf ihn. „Die Polizei war schon ein paarmal da“, so der innovative Bauer. Vier behördliche Kontrollen hat er ebenso schon hinter sich. Beanstandungen gab es nie. Und noch jemand ist ganz versessen auf den Hanf: seine neun Rinder „sind wild auf den Presskuchen“, der als Nebenprodukt anfällt.
Ende April oder Anfang Mai wird Cannabis gesät, die Ernte bringt Lüdke immer um die Gunzenhäuser Kirchweih herum nach Hause. Letztes Jahr sah es da, wie auch in anderen Agrarbereichen, schlecht aus, die Erträge „waren fast gleich null“. Heuer gedeihen die Pflanzen prächtig. Auf seinem Feld haben sie schon mal eine Höhe von drei Metern erreicht.
Der Windsfelder setzt ausschließlich auf Ölproduktion — und damit auf die Hanfsamen. Die Gewinnung der Fasern kommt für ihn nicht in Betracht, dies wäre auch erntetechnisch um einiges schwerer. Das Trocknen übernimmt Lüdke selbst im mit Lochblech abgedeckten Kipper. Auch gepresst wird am eigenen Betrieb. Dann geht das Öl auf die Reise zu den verschiedenen Naturkostläden und findet seinen Weg auch bis nach Österreich und in die Schweiz. Die Geschäftsbeziehungen dorthin begannen mit einem Urlaub in St.Gallen. In einer Zeitung las er von einem Hanfladen und klingelte kurz darauf dort an der Tür.
Das Hanföl wird natürlich auch am eigenen Hof der Direktvermarkterfamilie verkauft. Hier gibt es weitgereisten Kaffee aus fairem Handel genauso wie Dinkelkuchen eigener Herstellung. Das hierfür verwendete Getreide baut Lüdke ebenso selbst an. Der Hof soll auf möglichst vielen wirtschaftlichen Standbeinen stehen, um das Risiko zu streuen und keinen Druck entstehen zu lassen.
Das gesamte gemeinsame Leben haben der Chef und seine Ehefrau Marita in den eigenen Betrieb investiert. Vor 34 Jahren gaben sich die beiden das Jawort – seither flossen Unmengen an Stunden, Geld und Arbeit in das gemeinsame Lebensprojekt.
Hervorragende Nutzpflanze
Gleich zu Beginn fiel die wichtigste Entscheidung: die Umstellung des Hofes, den Ewald Lüdke vom Vater übernahm, auf biologische Landwirtschaft. Das erlaubte dem Sohn, die eigene Experimentierfreude auszuleben. So wagte er sich beispielsweise mal an den Anbau von Urroggen. Das habe sich nicht bewährt, im Gegensatz zu Dinkel und Hanf. Der sei eigentlich eine hervorragende Nutzpflanze, die allerdings durch den Gebrauch als Rauschmittel stark an Ansehen verloren habe.
Früher habe sie zum Alltag gehört, Bücher wie die Gutenberg-Bibel seien auf Hanfpapier geschrieben, Gerichte aus Hanfsamen aus dem klösterlichen Leben nicht wegzudenken gewesen, so Lüdke. Cannabis habe als Zahlungsmittel bis ins 19. Jahrhundert gedient, und im 18. sei man als Bauer in Virginia sogar mit Gefängnisstrafe bedroht worden, wenn man es nicht anbaute. Damals wurde der Rohstoff für Uniformen benötigt. 1812 kämpften Amerika und England um Hanf, und im gleichen Jahr soll einer der Hauptgründe für Napoleons Feldzug gegen Russland das dortige Cannabis-vorkommen gewesen sein.
Die medizinische Heilkraft sei enorm. Der an Vitaminen und Spurenelementen reiche Hanf helfe gegen Asthma und Rheuma, Migräne und Depressionen, Krämpfe und Übelkeit. Auch im Kampf gegen Augenkrankheiten, Magersucht und sogar das Tourette-Syndrom verfüge die Pflanze über therapeutischen Wert. Deswegen habe ein Gast Lüdkes schon mal nach dem „anderen Hanf“ gefragt – der mit viel [lexicon]THC[/lexicon]: „Dann müsste ich nicht mehr nach Holland fahren.“
Wenn der Cannabis-Anbau zu medizinischen Zwecken hier erlaubt wäre,
würde Lüdke diese Chance wohl nutzen, wie er selbst sagt. Im hohen
Alter, so hat es sich das Ehepaar vorgenommen, könnte es sich
vorstellen, nach Israel auszuwandern. Denn dort hat jüngst ein Rabbi für
die Freigabe des „anderen Hanf“ zum Einsatz im Altenheim plädiert.
Warum sollen Senioren nicht die Chance bekommen, in ihren letzten Jahren
noch Spaß am Leben zu haben? So lautete die Argumentation — der sich
auch die Lüdkes anschließen können.
Quelle:Cannabis gedeiht in Windsfeld prächtig - Gunzenhausen - nordbayern.de