Erster Patient darf Cannabis zu Hause anbauen
- Cannabis als Medikament ist in Deutschland umstritten
- Nur wenige Patienten dürfen es überhaupt legal erwerben - selbst anbauen war bislang tabu
- Nach einem Gerichtsurteil vom Frühjahr gibt die zuständige Behörde nun erstmals einem Patienten grünes Licht
Es ist eine kleine Sensation, die jahrelanger Vorarbeit bedurfte: Erstmals in Deutschland darf ein auf medizinisches Cannabis angewiesener Patient sein Hanf selbst anbauen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat einem 53 Jahre alten Mann aus Mannheim erlaubt, in seinem Badezimmer bis zu 130 Cannabispflanzen pro Jahr zum Eigengebrauch zu züchten. Das bestätigte ein Sprecher der Bonner Behörde am Sonntag. Der Patient leidet an Multipler Sklerose.
15 Euro pro Gramm
Der Fall ist ein weiterer Schritt Richtung Legalisierung, die in Deutschland extrem schleppend vorangeht. Während in Ländern wie Kanada und in den US-Bundesstaaten Colorado und Washington Kiffen legal ist, blockiert in Deutschland die Bundesregierung eine vollständige Legalisierung.
So war es auch lange Zeit bei medizinischem Cannabis.
Das Bundesinstitut hatte den Eigenanbau zuvor stets abgelehnt. Zwar gibt es in Deutschland mehr als 900 Patienten, die Cannabis als Medikament verwenden dürfen. Sie müssen es aber bisher in der Apotheke kaufen, die Kosten übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen nicht.
Für das Gramm fallen in der Apotheke rund 15 Euro an. Der Mannheimer hatte durch mehrere Instanzen geklagt und argumentiert, dass er monatlich rund 1500 Euro für sein Cannabis ausgeben müsse. Das könne er sich nicht leisten.
Im Frühjahr hatte das Bundesverwaltungsgericht die Behörde verpflichtet, den Anbau zu erlauben. Dieses Urteil setzt die Behörde nun um.
"Das ist eine Klatsche für die Politik, die es bisher nicht geschafft hat, ein erstes Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus dem Jahr 2005 korrekt umzusetzen", sagte ein Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin. Mit der Entscheidung hätten erstmals gesundheitspolitische Erwägungen Vorrang vor einer grundsätzlichen Ablehnung der Selbstversorgung bekommen.
Patienten darf 20 Hanfpflanzen gleichzeitig anbauen
Die Bundesregierung hat im Frühsommer einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem Medizinalhanf in bestimmten Fällen verschreibungs- und erstattungsfähig werden soll. Sollten die Kosten künftig von den Krankenkassen übernommen werden, erlischt die zunächst bis Sommer 2017 erteilte Ausnahmeerlaubnis für den Mannheimer MS-Patienten.
Eine Legalisierung in Deutschland hätte extrem viele Vorteile. Befürworter gibt es auf allen Fronten.
Ökonomen schwärmen von zusätzlichen Steuereinnahmen - schließlich würde ein bislang riesiger Schwarzmarkt unter staatliche Kontrolle fallen. Mediziner sprechen schon lange von der medizinischen Heilkraft der Pflanze - und weisen darauf hin, dass das Suchtpotential geringer ist, als Kritiker befürchten. Und sogar die Polizei ist offen für eine Legalisierung. Bagatellfälle seien verzichtbar, sagte kürzlich Gewerkschaftschef Rainer Wendt.