"Manchmal setz' ich mich einfach in ein Polizeiauto"
Warum Bayerns prominentester Kiffer Hans Söllner einen Joint für bereichernd hält, in einer Winternacht barfuß vor Polizisten stand und seine Texte entschärft hat - zumindest ein bisschen.
Interview von Anja PerkuhnHans Söllner ist Bayerns wohl bekanntester Kiffer. Der Liedermacher bekennt sich seit Jahren öffentlich zu seiner Leidenschaft. Ein Gespräch über Gras im Alltag.
SZ: Herr Söllner, man diskutiert über Massentierhaltung und die Legalisierung von Cannabis. Haben Sie mit Ihrer Musik die Welt verändert?
Hans Söllner: Puh. Man wünscht sich natürlich, dass man etwas verändert hat. Aber ich glaube nicht, dass durch Musik eine permanente Veränderung stattfindet. Du kannst mit Musik zum Beispiel die Einstellung eines rassistischen Menschen nicht ändern.
Sie machen sich immer noch stark: für Flüchtlinge, für Bienen, für den aktiven Widerstand . . .
Ja, das muss immer noch sein. Wenn ich auf irgendeiner Autobahnraststätte sehe, wie junge Leute rausgezogen wurden von der Polizei, dann setz' ich mich in das Polizeiauto und verriegle das von innen. Dann haben sie mit mir zu tun und lassen die jungen Leute sehr wahrscheinlich einfach in Ruhe. Und ich hab' ja Zeit.
Das machen Sie?
Klar. In dem Moment, wo du dich einmischst, wo du fragst: "Was machen Sie da?", änderst du die Parameter. Normalerweise wird von einem Unbeteiligten nicht infrage gestellt, was sie da tun. Ich mach' das aber auch nicht fünfmal die Woche.
Im vergangenen Jahr haben Sie die Polizei verklagt, wegen einer Erkältung nach einer langen Kontrolle und eines Schadens von 4500 Euro am Auto durch den Drogenhund. Wie viel Satire steckt da drin?
Satire? Naa, überhaupt nicht. Ich bin ja nicht abends dagestanden und habe die Polizisten aufgehalten, sondern andersrum. Drei Stunden hat das gedauert. Mein Sohn, mein Fahrer und ich mussten aus dem Auto aussteigen kurz vor Mitternacht, nach einem Konzert, im Winter. Ich war verschwitzt, es hatte drei Grad, die Jacke blieb im Auto. Ich wurde immer grantiger. Dann musste ich meine Schuhe ausziehen. Dann meine Socken. Das war eine Machtdemonstration. Und wir warteten alle auf den Schäferhund, der das Auto durchsuchen sollte.
Der sollte nach Gras suchen?
Es riecht nach Marihuana, sagte der eine Polizist. Aber dann fand der erste Schäferhund nichts.
Der erste?
Ja, sie haben noch einen zweiten Schäferhund angefordert, nachdem der erste nichts gefunden hatte. Der hat dann mein Auto noch mal eine knappe Stunde verwüstet. Und alles bloß, weil ich für die Legalisierung bin.
Weil Sie für die Legalisierung einer Droge sind.
Ich will doch nicht, dass die Leute alle süchtig werden. Ich will, dass die Leute in Ruhe gelassen werden. Dass sie nicht verfolgt werden, dass sie nicht ihre Existenzen verlieren. Ich will einfach, dass jeder hier in Ruhe sein Leben leben kann.
Sie spielen ein Konzert auf der Cannabis-Messe in München, davor wollen die Veranstalter Unterschriften zur Staatsregierung tragen für eine Legalisierung von Marihuana in Bayern. Wird das was?
Diese Marihuana-Prohibition ist eine lange Gehirnwäsche, die in uns allen passiert ist. Selbst ich mit meinen 60 Jahren habe immer im Kopf: Wenn ich mit einem oder zwei Gramm erwischt werde, habe ich ein Problem. Strafen, Führerscheinentzug, Angst, Geld - das funktioniert so gut, dass viele das nicht unterschreiben werden, weil sie Angst haben, dass dann ihr Name irgendwo auftaucht und übermorgen die Polizei vor der Tür steht. Die Leute haben Angst.
Liedermacher Hans Söllner - "Manchmal setz' ich mich einfach in ein Polizeiauto" - Kultur - Süddeutsche.de