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"Wir wollen das Cannabis-Experiment wagen"
SPD und Grüne wollen Coffeeshops in NRW erlauben. Ist das Fluch oder Segen? Ein Streitgespräch zwischen dem grünen Gesundheitspolitiker Arif Ünal und Ärztevertreter Stefan Schröter vom Hartmannbund.Eine Hanfpflanze? Nein, damit wollte sich Arif Ünal keinesfalls fotografieren lassen. Da half auch der Hinweis der Fotografin nichts, es gehe nur darum, das Thema des Streitgesprächs optisch umzusetzen. Der Grüne blieb hart. Nein, für Fotos mit einer Pflanze, aus der man ein illegales Suchtmittel gewinnen kann, sei er nicht zu haben. Verständlich. Immerhin ist die private Hanfzucht verboten. Aber auch bemerkenswert, plädiert Ünal doch dafür, den Cannabisbesitz und -handel zu entkriminalisieren.
Die Fraktionen von SPD und Grünen wollen noch 2015 die Landesregierung beauftragen, den kontrollierten Verkauf der Droge in NRW zu gestatten.
Rot-Grün soll dafür eine Genehmigung des Bundesamts für Arzneimittel beantragen – und der Coffeeshop soll hierzulande heimisch werden. Ist das ein Vorstoß im Kampf gegen Drogenkriminalität oder eine Verführung Jugendlicher? Darüber stritten Arif Ünal, der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen im Landtag, und der Arzt Stefan Schröter, Vorsitzender des Hartmannbundes Nordrhein.Welt am Sonntag: Herr Schröter, haben Sie schon mal an einem Haschkeks geknabbert?
Stefan Schröter: Ich? Noch nie.
Welt am Sonntag: Und Sie, Herr Ünal?
Arif Ünal: Auch nicht, ich habe früher mal geraucht, aber nur cannabisfreie Zigaretten.
Welt am Sonntag: Also reden in unserem Streitgespräch zwei Blinde von der Farbe?
Schröter: Keineswegs. Man muss ja auch nicht an Krebs erkrankt sein, um einen Krebspatienten zu behandeln.
Ünal: Außerdem belegt unser rot-grünes Vorhaben einer kontrollierten Cannabisabgabe nach meiner Meinung unseren Sachverstand. Wir wollen damit eine gescheiterte Abschreckungspolitik beenden, den Jugendschutz verbessern, die Prävention ausbauen, die organisierte Drogenkriminalität schwächen und Millionen Haschischkonsumenten vor Kriminalisierung schützen. Zusätzlich werden wir dadurch Kräfte bei der Polizei und bei der Staatsanwaltschaft freisetzen. Die müssen bislang viel Zeit für die Verfolgung kleiner Cannabiskonsumenten aufwenden. Diese Zeit wäre im Kampf gegen schwere Kriminalität besser investiert.
Schröter: Das klingt alles gut, ist mir aber zu haushalterisch und pragmatisch gedacht. Ich bin Arzt. Auch wenn aus der Legalisierung einer gefährlichen Substanz für das Land zunächst ökonomische und personalpolitische Vorteile resultieren, kann ich mein ärztliches Gewissen nicht an der Garderobe abgeben. Ihr Vorstoß kommt einer Kapitulation gleich. Cannabismissbrauch muss bekämpft werden. Davon abgesehen halte ich die Abschreckungspolitik nicht für gescheitert. Das lehrt ein Blick auf die allgemeine Kriminalitätsentwicklung in den Bundesländern: Wo der Verfolgungsdruck höher ist, etwa in Bayern, liegt die Zahl der Straftaten niedriger.
Ünal: Ihr Vergleich mit der Kriminalitätsentwicklung ist hier fehl am Platz. Viele Beispiele belegen doch, wie wenig repressive Drogenpolitik bewirkt. Bei uns wird seit Jahrzehnten auf Verbote gesetzt, dennoch ist die Zahl der Cannabiskonsumenten nicht gesunken. In den USA wurde jahrelang massiver Verfolgungsdruck auf Cannabiskonsumenten ausgeübt. Inzwischen wurde dieser Kampf in vielen Bundesstaaten für gescheitert erklärt, weil die Erfolge ausblieben. Umgekehrt ist die Zahl der Konsumenten in den Niederlanden kaum höher als in Deutschland, obwohl es bei unseren Nachbarn seit Jahrzehnten Coffeeshops gibt.
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Die Welt