Bundestag berät über Cannabis-Therapien
Es wird ernst. Die Bundesregierung will die Versorgung Schwerkranker mit Cannabis erleichtern. Profitieren davon würde Andreas Butzmann aus Beuren
Hilde Mattheis ist erleichtert. Die Ulmer Bundestagsabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecherin der SPD spricht von einem nahen Durchbruch, sagt: „Das hinzubekommen, war harte Arbeit.“ Gemeint ist der Gesetzentwurf zur Versorgung Schwerkranker mit Cannabis, der nun vorliegt und über den der Bundestag in erster Lesung beraten hat. Ziel ist, die Versorgung Betroffener zu erleichtern. Davon profitieren würde auch Andreas Butzmann aus dem Pfaffenhofener Ortsteil Beuren, mit dem Hilde Mattheis seit Monaten in Kontakt steht, dessen Schicksal sie berührt hat – und der Ansporn war für ihre Arbeit, wie die Politikerin betont. Matheis sagt: „Bei dem Thema geht es schließlich nicht um Sucht, sondern um Schmerzlinderung.“
Andreas Butzmann leidet an Hereditärer Neuropathie, kurz HNPP, eine als unheilbar geltenden Erkrankung des Nervensystems, die starke Schmerzen verursacht. Der 33-Jährige ist Frührentner. Opioide verträgt er nicht. Das einzige, was hilft, ist Cannabis, sagt der gelernte Lebenstechniker. Butzmann hat deshalb eine Erlaubnis für den Erwerb von Marihuana-Produkten, ausgestellt vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in Bonn.
Doch der Erwerb von Cannabis in Apotheken ist teuer. Betroffene müsse bislang die Kosten für die Therapie selbst tragen. Die Rücklagen Butzmanns sind längst aufgebraucht. Mutter Barbara hilft, wo sie kann, hat bei ihrer Bank Kredite aufgenommen, um die Therapie ihres Sohnes zu finanzieren. Damit nicht genug: Häufig gibt es Lieferschwierigkeiten, ist eine Versorgung also überhaupt nicht möglich.
An diesem Punkt setzt das geplante Gesetz an. Es sieht vor, dass die Krankenkassen künftig für die Behandlungen aufkommen. Zudem sollen staatlich kontrollierte Agenturen den Cannabis-Anbau organisieren, Lieferengpässe damit der Vergangenheit angehören. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass Schwerkranke wie Andreas Butzmann Eigenanbau betreiben und sich damit strafbar machen. Die Krankenkassen werden künftig angesichts der doch verhältnismäßig recht übersichtlichen Anzahl betroffener Patienten nicht allzu sehr belastet, findet Politikerin Hilde Mattheis. „Das kostet die nicht viel.“
Nach Angaben der Bundesregierung besitzen derzeit fast 800 Patienten eine Ausnahmegenehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel für den Erwerb von Cannabis. Zwei von drei Betroffenen sind Schmerzpatienten wie Andreas Butzmann. Die Kosten für den monatlichen Bedarf an Cannabisblüten schätzt die Regierung auf durchschnittlich 540 Euro. Bei einem „besonders hohen Tagesbedarf“ könnten es bis zu 1800 Euro sein. Zum Vergleich: Andreas Butzmann benötigt eigenen Angaben zufolge 1500 Euro, um seinen Bedarf zu decken und ein halbwegs schmerzfreies Leben zu führen.
Lange gab es Widerstände gegen die Gesetzeslockerung. Kritiker, vor allem in der Union, befürchteten den Einstieg in einen gänzlich liberalen Umgang mit der Droge, also die generelle Freigabe von Cannabis. Inzwischen sind offenbar viele Gegner von ihrer harten Linie abgerückt. „Die Debatte war lange Zeit ideologisch verbrämt“, sagt SPD-Sprecherin Mattheis dazu. „Ich finde es super, dass wir dies überwunden haben.“ Nach der parlamentarischen Sommerpause wird der Bundestag erneut über den Gesetzentwurf debattieren. Noch im Herbst soll die neuen Regelungen dann beschlossen werden.
„Darauf warte ich schon lange“, sagt Andreas Butzmann. Seine Mutter Barbara ergänzt: „Wenn es wirklich so kommt, wäre das einfach super für uns.“
Quelle:Hoffnung: Bundestag berät über Cannabis-Therapien | Südwest Presse Online