Schleswig-Holsteins Dealer werden zu Cannabis-Bauern
Kiel | Im Norden blüht das Geschäft mit dem illegalen Anbau von Cannabis-Pflanzen. Bereits ein Drittel der Ware auf dem Markt stammt aus heimischen Zuchtanlagen – Indoor-Plantagen sind ein riesiger Wachstumsmarkt. „Weil sich unter gärtnerischen Bedingungen ein wesentlich höherer Wirkstoffgehalt erzielen lässt“, sagt Jana Maring, Sprecherin des Landeskriminalamts (LKA).
Am Montag ist ein Kieler verurteilt worden, der 198 Cannabis-Pflanzen in einer Mietwohnung gezüchtet hatte. Ein Fall, exemplarisch für eine beunruhigende Entwicklung. „Wir sehen den Trend, die steigende Nachfrage durch Eigenproduktionen unter professionellen Bedingungen zu bedienen“, berichtet Maring.
2015 wurden im Norden 42 Kleinplantagen (bis zu 100 Pflanzen) und 21 Groß- und Profiplantagen (bis zu 1000 oder mehr Pflanzen) ausgehoben. Seit 2010 hat sich die Zahl der Funde verdoppelt.
Die Abkehr von den globalen Handelsstrukturen hin zur Regionalisierung begann vor zehn Jahren, als Konsumenten beschlossen, Cannabis selbst anzubauen, um die Dealernetze mit ihrer oft minderwertigen Qualität zu umgehen. Und so wuchsen Hanfpflanzen in Gärten, auf Balkonen oder wurden in Maisfeldern angebaut. „Man bestellte das Saatgut im Internet und suchte sich einen schönen Südhang“, erklärt ein Züchter aus Schönwalde (Kreis Ostholstein). Da das Wetter im Norden für die Pflanze aus Zentralasien nicht ideal ist, dominieren jedoch bald die Indoor-Plantagen.
Die 198 Pflanzen aus Kiel hätten sieben Kilogramm Marihuana und einen Erlös von 20.000 Euro geliefert. Die Aussicht auf solch hohe Profite war es auch, die organisierte Kriminelle auf den Plan rief. Sie stiegen aggressiv in den Anbau ein und investierten in die notwendige Technik. Heute werden in gemieteten Hallen Natriumhochdrucklampen aufgestellt, Bewässerungssysteme installiert und Aktivkohlefilter, Lüfter und schallgedämpfte Abzugsrohre montiert, um den markanten Geruch zu unterbinden. „Beim Ausheben von Groß- und Profiplantagen finden wir oftmals Pflanzen in unterschiedlichen Wachstumsphasen vor“, erklärt die LKA-Sprecherin. „Das ermöglicht den Kriminellen fortlaufende Ernten und regelmäßige Erträge.“
Die in Schleswig-Holstein dokumentierte Entwicklung findet sich europaweit. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht warnt, dass sich die Zahl der beschlagnahmten Pflanzen binnen fünf Jahren verdreifacht hat. Und nachgefragt wird nicht mehr Haschisch (das extrahierte Harz der Pflanze), sondern Marihuana, also die getrocknete Blüte. Grund: In den Blüten, die durch professionelle Zucht gewonnen werden, konzentriert sich der höchste Wirkstoffgehalt.
Die Polizei von Schleswig-Holstein versucht, mit spezialisierten Rauschgiftsachbearbeitern die großen Banden zu finden und zu zerschlagen. „Die steigenden Zahlen bei den ausgehobenen Groß- und Profiplantagen sind insofern auch ein Indikator für erfolgreiche polizeiliche Maßnahmen.“ Weil viele Anlagen aber nur durch Zufall entdeckt werden, gehen die Ermittler von einer hohen Dunkelziffer aus.
Die Konsumenten warnt das LKA vor den gesundheitlichen Gefahren der Droge aus den Plantagen. Maring: „Wegen des hohen THC-Gehalts ist sie nicht mit Cannabis der 60er- oder 70er-Jahre vergleichbar.“
Quelle: Hanf-Pflanzen in Indoor-Plantagen: Schleswig-Holsteins Dealer werden zu Cannabis-Bauern | shz.de