Da immer wieder mal ein paar Fetzen des neuen Tschechischen Drogengesetzes hier kursieren, hab ich mal einen Bericht geklaut um Licht ins Dunkel zu bringen.
Ob Hasch oder Kokain: In Tschechien gilt seit dem 1. Januar eines der liberalsten Drogengesetze in Europa. Das stellt, was die erlaubten Mengen und Substanzen angeht, sogar die Niederlande in den Schatten. Die große Freiheit beim Kiffen und Koksen wird aber auch kritisiert.
Die Stimmung im Prager Club Ujezd ist entspannt - schon am Nachmittag sitzen hier junge Leute an der Bar, trinken Bier und rauchen selbst gedrehte Zigaretten. Der typische, süßlich-schwere Geruch von Haschisch füllt den Raum. Und Klubmanager Martin Kmoch kann sich dieser Tage aufrichtig freuen, denn das neue tschechische Drogengesetz erleichtert ihm das Geschäft: "Unser Klub wurde nach der Wende ausdrücklich gegründet, damit die Leute hier in Ruhe ihre Joints rauchen können. Jetzt können sich unsere Gäste richtig entspannen, weil das Gesetz seine Hand nicht mehr nach ihnen ausstreckt."
Ladislav, ein Student mit Strickmütze und Kapuzenjacke, ist Stammgast im Club Ujezd. Er bläst eine Rauchwolke in die Luft und atmet tief durch: "Das neue Gesetz bedeutet für Leute wie mich keinerlei Einschränkung, denn die Mengen, die jetzt erlaubt sind, sind riesig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand wirklich 15 Gramm Marihuana mit sich herum trägt. Wir müssen also keine Angst haben."
Harte Drogen Ahoi!
Tschechien ist schon lange für seine liberale Drogenpolitik bekannt. Mit der neuen Regelung wird es zu einem der liberalsten Länder Europas: Für den eigenen Bedarf sind seit dem 1. Januar nicht nur bestimmte Mengen an Haschisch oder Marihuana erlaubt, sondern auch härtere Drogen: vier Ecstasy- oder fünf LSD-Tabletten, ein Gramm Kokain oder anderthalb Gramm Heroin - dreimal so viel wie in den Niederlanden.
Das Argument für die Freigabe: Drogensucht sei vor allen Dingen ein gesundheitliches Problem, kein kriminelles. Außerdem sei nun erstmals klar geregelt, was gehe und was nicht. "Die Regelung bringt Rechtssicherheit", meint Jakub Frydrych, Direktor der tschechischen Anti-Drogen-Behörde. "Wenn wir das Beispiel Marihuana nehmen: Da ist die Herstellung weiterhin strafbar, aber der Besitz von Marihuana nicht, so lange die Menge unter dem Limit ist. Die Freigabe betrifft allerdings nicht die Dealer, wenn jemand mit Drogen Geschäfte macht, dann bleibt das strafbar, unabhängig von der Menge, die er verkauft."
Kaum Ausgaben für Prävention
Doch viele Kritiker sind enttäuscht. Der Psychologe Ivan Douda hat vor 20 Jahren die Hilfsorganisation "Drop In" gegründet und kümmert sich seitdem in Prag um Drogensüchtige. Aus seiner Sicht ist die neue Regelung ein Schritt in die falsche Richtung: "Es ist offenkundig, dass die Polizei keine Chance hat, den Drogenmarkt effektiv zu regulieren. Deswegen wäre es wichtig, die Ausgaben in der Drogenpolitik auf die Prävention zu konzentrieren."
Genau da hinkt Tschechien aber hinterher: Für Aufklärung und Hilfe gibt das Land nur einen Bruchteil dessen aus, was etwa die Niederlande pro Einwohner und Jahr investieren.
Die Folgen hat Ivan Douda täglich vor Augen: In dem kleinen Warteraum von "Drop In" in der Prager Altstadt sitzen schon früh morgens junge Leute in abgerissener Kleidung. Freiwillige Helferinnen verteilen Tee, Suppe, Vitamintabletten und saubere Spritzen für die Drogensüchtigen.
Einer von ihnen ist Tomas; der 31-Jährige mit dem kurzen schwarzen Haar und der schmuddeligen Lederjacke ist seit vielen Jahren heroinabhängig: "Ich hatte immer Probleme damit, habe mich immer versteckt, aber vor ein paar Jahren hat mich die Polizei geschnappt und ich saß 20 harte Monate im Gefängnis."
Die neue Drogenrichtlinie stimmt Tomas fast euphorisch - eine Einschränkung macht er dennoch: "Das ist die Revolution, das wird hier zu einem Drogenparadies. Die weichen Drogen, die sollen sie doch einfach ganz legalisieren. Aber die harten, das sehe ich anders. Die sollten nur unter der Aufsicht von Fachleuten erlaubt sein, damit wir keine Schweinerei schlucken."
Tourismusboom à la Amsterdam?
Möglicherweise pilgern junge Leute also bald in Scharen nach Prag, um dort ungestört ihre Joints zu rauchen oder andere Drogen zu konsumieren. Denn in den Nachbarländern wie etwa Deutschland, der Slowakei, Ungarn oder Polen sind die Bestimmungen viel restriktiver.
Im Prager Klub Ujezd sieht man dem erwartungsvoll entgegen. Denn in der gemütlichen Klubatmospähre zeigt sich nur das freundliche Gesicht des Drogenkonsums. Noch einmal Martin Kmoch: "Wir sind jetzt noch besser als Amsterdam. Und so wird eine Menge neuer Kunden zu uns kommen - aus West und Ost."
Nachdem der Tourismus in Prag 2009 einen Tiefpunkt erreicht hat, ist das eine ganz neue Perspektive.