Verl/Bielefeld (mü) - Die Tarnung ist ein Einfamilienhaus in Verl
gewesen. Die Mieter: ein vietnamesisches Paar. Doch die lebten gar nicht
in dem Haus, sondern ein 29-jähriger Landsmann. Seine Aufgabe: Aufzucht
und Pflege von Cannabis-Pflanzen. So lautet der Vorwurf der
Staatsanwaltschaft.
Den „Gärtner“ nahm die Polizei im vergangenen
September fest. Seit Gründonnerstag wird ihm vor dem Landgericht
Bielefeld wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz der Prozess
gemacht. Der Angeklagte soll zu einer niederländischen Bande gehören,
die im großen Stil [lexicon]Cannabis[/lexicon] angebaut und verkauft haben soll.
Offenbar
ein gutes Geschäft, denn die aufgefundene Menge von 104 Kilogramm
frischen Dolden hatte laut Anklageschrift einen Marktwert von 240 000
Euro. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass die Plantage –
fünf Räume einschließlich Keller waren für die Aufzucht der Pflanzen
ausgestattet – jährlich rund 93 Kilogramm [lexicon]Marihuana[/lexicon] abgeworfen hat.
Gemietet
hatte die Bande das Haus seit 2010. Die Ermittler glauben, dass der
Angeklagte – im Hauptberuf Schweißer – in der Gruppe nur eine
untergeordnete Rolle spielte. Er wurde als Erster verhaftet, Ende des
vergangenen Jahres dann vier weitere mutmaßliche Komplizen. Gegen sie
wird zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt werden.
Der Prozess
gegen den 29-Jährigen musste noch in diesem Monat beginnen, denn Ende
März läuft die Sechsmonatsfrist ab, innerhalb derer ein Prozess gegen
einen Untersuchungshäftling begonnen haben muss. Wenn nicht, muss der
Verdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Ein großes
Risiko für die Justiz, denn der Angeklagte ist Vietnamese und war
zuletzt in den Niederlanden gemeldet.
Das Verfahren bietet ihm
die Chance, sich eine milde Strafe zu verdienen. Gericht,
Staatsanwaltschaft und Verteidigung prüfen, ob eine Verständigung unter
den Prozessteilnehmern möglich ist. Voraussetzung für die
Staatsanwaltschaft: ein umfassendes Geständnis des Angeklagten, in dem
er „nachprüfbare Fakten“ nennt. Die Ermittler sind insbesondere an den
Hintermännern interessiert, die bislang nur mit Tarnnamen bekannt sind.
So heißt einer zum Beispiel „Frühlingsrolle“.
Bei solcher
Aufklärungshilfe könnte der Angeklagte trotz des schweren Vorwurfs –
Mindeststrafe im Normalfall fünf Jahre – mit einer Bewährungsstrafe
rechnen. Bis zum 15. April hat er nun Zeit, sich das zu überlegen.