Kiffer sind sogar nüchtern eine Gefahr für den Straßenverkehr
Unfassbar, aber wahr: Eine Frau wird nüchtern als Fahrgast eines Taxis mit ein paar Gramm [lexicon]Marihuana[/lexicon] und Haschisch erwischt. Das Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz wird eingestellt – doch ihren Führerschein ist sie wohl trotzdem los.
Der Fall von Jennifer Westhauser, über den die Kollegen von „Zeit Online“ ausführlich berichten, dürfte allen Gelegenheitskiffern zu denken geben.
Die 33 Jahre alte Grafikerin aus Mainz war Ende Juli auf dem Weg zu einem Hippie-Festival auf Burg Herzberg im hessischen Alsfeld, als sie in eine Polizeikontrolle geriet. Nicht hinterm Steuer, sondern als Taxikundin. In nüchternem Zustand.
Die sichergestellte Menge an Betäubungsmitteln - 1,2 Gramm [lexicon]Marihuana[/lexicon], 1,5 Gramm Haschisch - lag im Bagatellbereich („zum Eigenverbrauch“) und war somit strafrechtlich nicht relevant. Das von der Staatsanwaltschaft eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz wurde erwartungsgemäß eingestellt.
Drogentest her - oder Führerschein weg!
Noch mal Glück gehabt? Von wegen. Ende September erhielt Westhauser ein Schreiben von ihrer zuständigen Mainzer Fahrerlaubnisbehörde. Darin teilte man ihr mit, dass man aufgrund des Cannabisfunds im Taxi „erhebliche Zweifel an Ihrer Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges ergeben“ habe. Westhauser wurde „zur Vorlage eines Drogenscreenings in Form eines Urinscreenings aufgefordert“. Sollte dieses nicht innerhalb drei Tagen erstellt und die Ergebnisse nicht innerhalb von 14 Tagen vorliegen, würde die Behörde automatisch auf „Nichteignung“ schließen - und ihr mit sofortiger Wirkung den Führerschein entziehen.
Zur Erinnerung: Jennifer Westhauser war
nüchtern im Taxi,
saß nicht am Steuer und ihr
Verfahren wurde eingestellt.
„Das ist doch ein Witz“, dachte Westhauser. Ist es aber nicht.
Das Vorgehen der Behörden hat Methode
Die Ausgangslage: Nach Einschätzung Ansicht des Buchautors Theo Pütz („Cannabis und Führerschein“) hat dieses Vorgehen der Behörden mittlerweile Methode. „Alle Kiffer sind permanent gefährdet, durch bloßen Besitz oder auch nur durch gelegentlichen Konsum von [lexicon]Cannabis[/lexicon] selbst fernab der Straße und des Verkehrs ins Visier der Führerscheinbehörden zu geraten“, warnt der auch als „Führerscheinpapst“ bekannte Schriftsteller.
Die Folgen: Teure fachärztliche Gutachten bis hin zum „Idiotentest“. Vor der Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) müssen mehrmonatige Abstinenznachweise stehen. Jeder fünfte „Idiotentest“ 2013 wurde aufgrund einer Drogenfahrt veranlasst.
Das Gemeine: „Gegen die Überprüfungsaufforderungen kann man keinerlei Rechtsmittel einlegen“, erklärt Pütz „Zeit Online“ und fügt hinzu: „Der Führerschein wird, sofern man der Aufforderung nicht fristgerecht nachkommt, mit sofortiger Wirkung eingezogen. Ein Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung.“
Das Absurde: Das Bundesverfassungsgericht hat schon 2002 festgestellt, dass der Besitz von [lexicon]Cannabis[/lexicon] in geringen Mengen für den Eigenbedarf für sich alleine genommen keine Fahreignungszweifel begründen kann. Trotzdem herrsche, so Pütz, in vielen Behörden die Meinung vor, dass Gelegenheitskiffer durchaus auch regelmäßig benebelt sein könnten und damit eine - zu beseitigende - Gefahr für den Straßenverkehr.
Einen Pauschaltipp hat „Führerscheinpapst“ Pütz nicht parat. Wer es sich finanziell leisten könne, sollte den Führerscheinentzug abwarten, Widerspruch einlegen und auf dem Klageweg klären, ob die Überprüfungsanordnung rechtswidrig war. Klammere Gelegenheitskiffer sollen lieber Geld und Nerven sparen - und sich auf die MPU vorbereiten.
Das skurrile Fazit: Jennifer Westhauser findet die Situation nach wie vor absurd. „Das wäre ja so, als würden bei einer Kontrolle ein paar Flaschen Wein im Kofferraum gefunden und die Behörde dann, obwohl man nüchtern ist, wegen des vermuteten Alkoholkonsums Zweifel an der Fahreignung unterstellen.