Bernburg/Brucke -
Es klingt wie eine fiktive Erzählung - und ist doch blanke Realität: Die Polizei hat am 14. Juli 2015 auf dem Grundstück eines heute 66-jährigen Rentners in Brucke mehr als 100 Cannabis-Pflanzen entdeckt. Diese habe er, wie er nun vor dem Amtsgericht Bernburg aussagte, einzig für den Eigengebrauch angebaut.
Und das nicht etwa, um die Hanfpflanze als Rauschmittel zu rauchen. „Ich wollte damit meine Schmerzen in den Griff kriegen - und das hat auch geholfen“, meinte er. So habe er die Blätter für Tee, Umschläge und als Badezusatz genutzt; nicht jedoch an andere verschenkt oder gar verkauft. „Ich habe noch nie einen Cent daran verdient“, sagte der 66-Jährige, der mittlerweile in Naumburg lebt.
Von der guten Ernte im vergangenen Jahr sei der ehemalige Gärtner selbst überrascht gewesen. Mehr als zwölf Kilogramm hatten die Polizeibeamten, die nach einem Zeugenhinweis eine Durchsuchung auf dem Grundstück in Brucke durchgeführt hatten, sichergestellt - mit einem Wirkstoffgehalt von exakt 103 Gramm reinem Tetrahydrocannabinol, kurz [lexicon]THC[/lexicon]. Und damit weit jenseits der Straflosigkeit.
„Das schaffen nicht mal Großdealer“
So etwas sei selbst dem Vorsitzenden Richter in seiner langjährigen Laufbahn noch nicht untergekommen, wie er sagte. „Das schaffen nicht mal Großdealer.“ Einen solchen hätte man auch angesichts des Tatvorwurfes auf der Anklagebank vermuten können - nicht jedoch einen Rentner, der für den Eigenverbrauch Hanf anpflanzt. „Manche Rentner werden wunderlich und Sie bauen Plantagen an“, konstatierte der Vorsitzende Richter. Das sei ebenfalls verwunderlich - und zudem strafbar. Denn lediglich bei einer geringen Menge von bis zu 7,5 Gramm reinem Wirkstoff kann gemäß Betäubungsmittelgesetz von einer strafrechtlichen Verfolgung abgesehen werden. Nicht jedoch bei 103 Gramm.
Dem Angeklagten sei laut Staatsanwalt zwar zugute zu halten, dass er nicht vorbestraft sei und den Anbau sowie die Ernte eingeräumt habe, dennoch handele es sich um eine nicht geringe Menge. Deshalb plädierte er für eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren. Der Verteidiger hingegen sah eine 18-monatige Bewährungsstrafe als ausreichend an. Diesem Antrag folgte letztlich auch das Schöffengericht. Zudem wurde dem Rentner auferlegt, 500 Euro in zehn Raten an die Deutsche Arthrose-Hilfe zu zahlen. Damit endete ein kurioses Verfahren, in welchem sich der Vorsitzende Richter das Schmunzeln hin und wieder nicht hatte verkneifen können. „Während andere ein Schaumbad nehmen, baden Sie in Cannabis“, sagte er, „solche Geschichten schreibt nur das Leben.“ (mz)